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Das Gesetz des Irrsinns

Das Gesetz des Irrsinns

Titel: Das Gesetz des Irrsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Kühn
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geschädigt. Und zugleich: Eine erneute Schwächung der mittlerweile minimierten deutschen Deckungsreserven. Das wiederum bedeutete: Weitere Einbuße für die Rüstungsindustrie, die dringend auf Wolfram, Kugellager und so weiter angewiesen war.

    Bei ersten Verhören im Rahmen der Voruntersuchung wurde mir vorgehalten: Um Komplikationen zu vermeiden, Verstrickungen zu entgehen, hätte ich versuchen sollen, beispielsweise nach England auszuwandern, rechtzeitig.
    Doch was hätte dort aus mir werden können? Als Deutschbelgier wäre ich womöglich mit Reichsdeutschen gleichgestellt und interniert worden. Es sei denn, ich hätte meine angeborenen Fähigkeiten in bescheidenem Maße umsetzen können, als sogenannter Kriegskünstler, als »war artist«. Und was wäre da von mir erwartet worden? Ich hätte Plakate, posters produzieren, hätte beitragen müssen zur Verfälschung von Wirklichkeit.
    Ein Beispiel: Während des Afrikakrieges hätte ich wahrscheinlich das markante Profil des Nationalhelden T. E. Lawrence pinseln müssen, den großen Blondschopf-Schädel des kleinwüchsigen Mannes, und dieses Kopfbild wie eine Vision schwebend über realistisch dargestellter Wüstenlandschaft, begleitet von einer Aufschrift wie: Beat the fox! (Frei übertragen: Schlagt den Rommel!) Kurzum, ich hätte Propaganda treiben müssen. Kaum die Form der Selbstentfaltung, die man sich als Künstler wünscht!
    Hingegen: »undercover« konnte ich mich in meiner Heimat fast völlig frei entfalten. Habe erlesene Objekte vergegenwärtigt in einer Bildsprache, die ihnen einzig und allein angemessen ist, habe damit bewahrend gewirkt. Wie viele Römergläser, Fadengläser wurden im Bombenkrieg zerscherbt, wie viele Silberteller, Silbertazzas sind im Feuer geschmolzen, wie viele Marmortischplatten sind unter herabstürzenden Trümmern zerborsten, wie viele Gemälde sind in Flammen aufgegangen …! Unter diesen Aspekten sollte man meine ausgleichende Tätigkeit doch positiv einschätzen.

    Zweimal reiste ich, als Bildkurier, zu Albert Göring nach Pilsen, dem Hauptsitz der Skoda-Werke. Beide Reisen verbunden mit längerem Aufenthalt.
    Eine Herbstvisite, und wir suchten, an zwei Sonntagen, gemeinsam Pilze. Eine Wintervisite, und die Reise wurde ausgeweitet nach Rumänien, wo einer der von Albert geretteten Mitarbeiter residierte. Dort wurde ausführlich gekocht, ausgiebig pokuliert, Gast und Gastgeber sangen abwechselnd Wiener Chansons eher anrüchigen Inhalts. Anschließend ein fachkundiges Gespräch über Thema eins, erneut das Lob molliger Weiber.
    Und ein Loblied auf das Steyr-Cabriolet, die »Luxuskutsche«, die Hermann Göring seinem »kleinen Bruder« geschenkt hatte und mit der Albert besonders gern fuhr, etwa zu Terminen bei Sascha-Tobis. Erzählungen dann über Herren und entsprechende Damen der Filmbranche.
    Bei den anschließenden Tagen in den Karpaten konnte er ins Schwärmen geraten: Schnee bei Vollmond, das musste gefeiert werden. Folgte das für Albert bei einem Ski-Urlaub obligatorische Abenteuer mit einem Skihaserl, auch hier in leicht molliger Version. Solche Begleitung passte zum Erscheinungsbild des spärlich behaarten Herrn mit dem interessanten Schnurrbart, der einem Accent circonflexe glich.

    Wenn ich der »Kollaboration« mit dem Feinde bezichtigt werde, so kann ich generell nur betonen: Mein Verhalten hat kein einziges Menschenleben gefordert. Was durchaus anders hätte kommen können. Auf Grund meiner Statur wurde ich zweimal aufgefordert, und zwar mit Nachdruck, in die flämische SS einzutreten, die an der Seite von niederländischen SS -Truppen gegen den altbösen Feind im Osten kämpfen sollte. Dieser Forderung, dieser Zumutung konnte ich mich entziehen durch ein paar Typoskriptzeilen meines Schirm- und Schutzherrn Göring. Auf einem Briefbogen des Direktoriums der Skoda-Werke täuschte er vor, Generalfeldmarschall Göring befinde sich wieder in Pilsen und nehme die Gelegenheit wahr, meine Tätigkeit z.b.V. für das Großdeutsche Reich mit eigenhändiger Unterschrift zu dokumentieren: Göring.
    Damit war ich freigekauft. Wer weiß, in welche Untaten ich hineingezogen worden wäre, etwa bei der sogenannten Partisanenbekämpfung. Hingegen: mit meinem Dachshaarpinsel habe ich keinen Menschen in Gefahr gebracht.

    Ich komme nunmehr zur Frage der Finanzierung meiner Werke, vor allem der Valuta-Gemälde.
    Mit den Schweizer Franken, die ich in bar übernahm, auch mit den RM -Zahlungen habe ich mich nicht simpel »bereichert«,

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