Das Gesetz des Irrsinns
vor die Brust zu hängen! Lassen Sie mal sehn: alles ordentlich geschrieben? … Da fehlt ja, verdammt nochmal, da fehlt doch der Zusatzname! Wieso haben Sie nicht
Sara
geschrieben?! Nie was von Kennzeichnungspflicht gehört? Marga
Sara
Epstein – so muss das hier stehn! … Und den Mantelkragen klappen Sie da rüber, nicht jeder muss den Judenstern sehn. Ich will nicht, dass Sie unterwegs angepöbelt werden, sowas hält nur auf. Sie laufen unter Patientin. Ich bring Sie, offiziell, zum Krefelder Krankenhaus. Es liegt in Ihrem ureigensten Interesse, diese Sprachregelung zu befolgen. Im Übrigen: Klappe halten, zumindest Dritten gegenüber …«
Ich habe die Strecke rekognosziert. Bin davon ausgegangen, dass Hübner, ortskundig, die kürzeste Route gewählt hat, abseits der Landstraße.
Ich kann hier mit präzisen Angaben aufwarten: Durch die Neersener Straße zum Kirchplatz, dort nach rechts, zur Schottelstraße, auf der bleibt man die nächsten zwei Kilometer Richtung Holterhöfe, dann Stockweg links, Forstwaldstraße rechts, abbiegen auf die Alte Gladbacher Straße, sodann auf die Martinstraße, schließlich auf die Hansastraße, bald zeigt sich rechts der Bahnhof.
Diese Angaben als Beweis oder zumindest als Beleg dafür, dass ich eruiert habe. Doch ist uns, wäre uns mit solchen Angaben gedient? Ich sähe wenig Sinn darin, bei den Dreharbeiten exakt dieser Route zu folgen. Wir würden ja nicht für Heimatforscher oder für den kommissarischen Bürgermeister filmen, und alles wird gleich nachgeprüft: Wie bitte, auf der Schottelstraße soll es zweihundert Meter weitergehn, bevor man nach rechts abbiegt? Wollen wir doch gleich mal verifizieren, das Messrad her!
Ich habe der Gegend abgeguckt, was für das Drehbuch, für den Film letztendlich brauchbar wäre: Ein Gehöft abseits der Nebenstrecke … ein Waldstück wird durchquert … ein Dorf wird durchfahren …
Hof, Wald, Dorf können wir auch in anderen linksrheinischen Gebieten ins Bild holen, wir könnten quasi eine Parallelroute zur tatsächlich befahrenen Route entwickeln.
Unvermeidlich, dass bei der erzwungenen Nähe auf dem Fahrrad das Gespräch auch privater wurde, dass zumindest Hübners Fragen darauf abzielten. Aber auch hier und weiterhin: Ich lasse offen, spare aus, was die Epstein während der Fahrt gesagt haben könnte, freiwillig oder unter Druck.
Also nur wieder Hübner: »Da habt ihr in eurem Anrath auf dem Tisch gesessen und geschneidert? … Und warum nicht Kenia? Eins der wenigen Länder, die euch noch reingelassen hätten, quotenmäßig. Warum seid ihr da nicht am Ball geblieben? … Die laufen dort allesamt im Adams- und Evakostüm herum, also bleibt für euch Schneiderlein nichts mehr zu tun übrig, wie?«
Aber auch solche etwas bemühten Scherze lösen der Epstein nicht die Zunge. Erst bei der Annäherung an den »Forstwald« meldet sie sich zu Wort mit der Bitte, austreten zu dürfen.
Hübner befürchtet, dass die Epstein sich durch Flucht der Evakuierung entziehen könnte, falls er sie, taktvollerweise, ein Stück in den Wald eindringen ließe. Sie solle noch etwas warten, es werde sich gleich eine andere Möglichkeit ergeben.
Und es bietet sich der verlassene Panzerspähwagen an, an dem Reimann kurz pausiert hatte. Hübner, den die Fahrt doch anstrengt, Schmerzen in den Kniegelenken, er kündet eine kurze Rast an: Pinkelpause!
Und dann: In der momentanen Stille beiderseitiger Erschöpfung – einsetzendes Trommelfeuer an der nahen Grenze.
»Hast du gehört? Hörst du?! Artillerie! Windrichtung, Moment – ja, Windrichtung Südwest. Könnte Aachen sein. Oder Roermond, falls der Wind eher von Westen … Roermond – das wär ja ein verdammtes Stück näher! Wieso eröffnen die so früh schon das Feuer? Und das am Sonntag! Und derart massiv! Da braut sich was zusammen …«
Die folgende Sequenz, werter Herr Liebeneiner, geht nun doch über die Form der Filmerzählung hinaus, wirkt fast wie ein Drehbuchentwurf – warum auch nicht, das gewohnte Verfahren schlägt halt durch.
Die ersten Häuser einer Siedlung, ob sie nun Tackheide oder sonst wie heißt: primär bleibt der Fokus auf die beiden Personen gerichtet, nur nebenbei auf das Ambiente.
Hübner: Leg wieder den Sheriffstern frei. Und dein Begleitschild hier, das hängst du schön wieder nach vorn. Und jetzt bewegst du dich erst mal ein Stückchen zu Fuß.
Häuser in Straßennähe, aus denen sie beobachtet werden können am mittlerweile nicht mehr so frühen
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