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Das Gesetz des Irrsinns

Das Gesetz des Irrsinns

Titel: Das Gesetz des Irrsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Kühn
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Außendienststelle Krefeld wurde zu jenem Zeitpunkt die Nachlese in Anrath durchgeführt.
    Laut partei-internen Anweisungen war jedoch erst für den 13 . Oktober 1944 vorgesehen, alle noch im Gau Aachen-Köln verbliebenen, nicht mehr im Schutz der Mischehe lebenden Juden »zum geschlossenen Arbeitseinsatz abzuführen«. Hübner handelte also,
ehe die Anordnung erging.
    Ich darf dies durch Wiederholung in aller notwendigen Klarheit herausarbeiten: Es geschah in voller Eigenverantwortlichkeit, dass Hübner die Deportation der Jüdin Epstein beschloss und ausführte. Hübner (und dies
keineswegs
auf Weisung von SS - HSF Junghans!) führte damit bereits im September durch, was erst für Oktober vorgesehen war. Werner Hübner hat Marga Epstein in den Tod geschickt, als Nachzüglerin zu den etwa tausend jüdischen Bürgern unserer Stadt, die unter Hübners Direktive »nach dem Osten ausgesiedelt« worden waren. Was nichts anderes als eine vortäuschende Formulierung war für systematische Ermordung.
    Abschließend bekräftige ich, Friedhelm Reimann, meine Bereitschaft, besagte Vorgänge bei der Hauptverhandlung des anstehenden Spruchkammerverfahrens auch mündlich zu bezeugen.

Das Gesetz des Irrsinns
    Briefroman
    Vertraulich! Persönlich!
    Oberleutnant Borowski! Es hat sich erneut erwiesen, dass wir über Gestapo oder SD abgehört werden, ja, dass sich die SS mittlerweile in weitere telefonische Verbindungen einklinkt, selbst bei höchsten Positionen. Unser Generalluftzeugmeister hat mir, vertraulich, seinen Standardspruch verraten: »Heil Hitler! Und den Arschlöchern, die jetzt mithören, Gott zum Gruße!«
    Konsequenter als bisher sind wir gezwungen, künftig jede Form der Übermittlung wichtiger oder heikler Informationen auf öffentlichen Fernsprechleitungen zu unterlassen, dies auch via Sonder-Fernsprechleitung. Glücklicherweise können wir uns voll und ganz auf die Übermittlung durch unseren Kurier verlassen.
    Dennoch hebe ich, der Form halber, noch einmal hervor: Oberfeldwebel Hubalek überbringt im Beiwagen des Krads die Kuriermappe mit Sicherheitsschloss. Sie bestätigen im Quittungsbuch sowie auf der jeweils beiliegenden roten Annahmebescheinigung den Empfang der Abhörprotokolle. Zu gegenwärtigem Zeitpunkt wäre eine Quittung auszustellen für 4 Braune Blätter von Amt A, 5 Braune Blätter von Amt B, 3 Braune Blätter von Amt D.
    Der bewährte Austausch kuriervermittelter Schriftsätze schließt nach wie vor ein, dass Sie bei Weitergabe der Abhörprotokolle meiner Abteilung (sowie der Meldungen von Kollegen im Amt) an den Herrn Reichsmarschall flexibel verfahren. Dabei kann, ja muss ich nach unserem kürzlich erfolgten Gespräch davon ausgehen, dass RM Abhörprotokolle und Überwachungsergebnisse nicht höchstpersönlich liest, sondern dem mündlichen Rapport seines persönlichen Adjutanten den Vorzug gibt.
    Was weiterhin einschließt: Sie teilen RM Göring selektiv mit, was die Stunde fordert. Wobei Sie – je nach Tagesdisposition unseres Dienstherrn – reduzieren oder akzentuieren. Dies hat sich bei Ihnen als rechter Hand des RM längst eingespielt; auf Anweisung unseres Amtsleiters repetiere ich dies aus gegebenem Anlass.
    Unter dem Strich: Wir vom Forschungsamt werden auch künftig ein größeres Deputat an Überwachungsergebnissen vermitteln, als Sie bei unserem Dienstherrn aller Erfahrung und Voraussicht nach zum Vortrag bringen können. So dürfen, so werden sich meine Begleitschreiben fallweise erweitern zu freiem Austausch von Gedanken und Meldungen.
    In diesem Spektrum auch gelegentliche Mitteilungen über aktuelles Befinden. Und diesmal lautet sie: Nach einer Nacht, in der zwischen Alarm und Entwarnung unsere Reichshauptstadt dreieinhalb Stunden lang angeflogen worden ist, hört man hier im Hause fast nur noch das Wort
Schlafdefizit
. Eigentlich müsste man neben dem Schreibtisch ein Feldbett aufstellen für ausgleichende Mittagsschläfchen, das aber lässt der Büroalltag nicht zu. So mag die eine oder andere Mitteilung meiner Begleitschreiben nicht immer konzis erscheinen – was Sie bitte dem vorherrschenden Zustand der Übermüdung zuschreiben.
    Ich muss dies explizit erwähnen, weil ihr dort draußen auf dem Landsitz zwischen Großem Döllnsee und Wuckersee wahrscheinlich nur fernes Grummeln hört, während wir im Bunker hocken und die Köpfe einziehen, zumindest senken. Beim nächsten Dienstbesuch sollten Sie mal eine Nacht hierbleiben, um in den »Genuss« sich unablässig wiederholender

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