Das Gesetz des Irrsinns
zurückgezogen. Vorwand oder Begründung: Arbeit am Skript. Und da möchte ich wetten: Er legt es ›allen Gewalten zum Trotz‹ darauf an, für seine Kristina wieder mal die Hauptrolle festzuschreiben.
Walter-Maria Sperber indes, sein Produktionsleiter, stieß bei organisatorischen Vorbereitungen zu den Dreharbeiten auf erhebliche Schwierigkeiten, die letztlich nur durch ministerielle Intervention beseitigt werden können.
Das Telefonat zog sich lange hin, das Abhörprotokoll nimmt etliche Typoskriptseiten in Anspruch. Hier, mit Blick auf die homöopathische Vermittlung, eine raffende Wiedergabe.
Erstes Stichwort: Uniformen. Harlan benötigt, in erster Tranche, etwa 10000 (in Worten: zehntausend) Uniformen für die Komparserie der napoleonischen wie der preußischen Armee. Die Uniformen müssten in kürzester Frist geschneidert werden.
Dr. Goebbels: Müssen es wirklich
zehntausend
sein?!
Sperber: In den hinteren Reihen oder Kadres dürften Andeutungen genügen. Für die breiten weißen Lederriemen, in der napoleonischen Truppe von der linken Schulter diagonal zum Koppel geführt, könnte Klosettpapier verwendet werden; das stehe ausreichend zur Verfügung. Für Truppenteile, die in der Nähe der Kameras agieren, sei indes detailgetreue Neufertigung der Uniformen zwingend notwendig. Ein Sammelruf an deutsche Bühnen würde zwar eine Vielzahl militärischer Kostüme und Klamotten aus dem jeweiligen Fundus zum Vorschein bringen, das Angebot wäre indes mit Sicherheit zu buntscheckig. So erfolgten bereits Anfragen bei zwei Berliner Firmen der Wehrmachtsfertigung. Die Geschäftsleitung hat jedoch in beiden Fällen erklärt, man müsse bereits in erheblichem Maße Überstunden leisten, um das angeforderte Kontingent von Wehrmachtsmänteln zum bevorstehenden dritten Ostwinter liefern zu können.
Na, da werde ich mal ein Machtwort sprechen! Die Realisierung des Großfilms hat absolute Priorität. Da muss die Wehrmachtsfertigung notfalls zurückgefahren werden. Sonst noch was?
Ja, Probleme auch in der Bereitstellung von Sprengstoff. Hier werde von Dienststellen der Wehrmacht gemauert. Bei der Produktion von Munition und Sprengmitteln seien erhebliche Engpässe aufgetreten, zum Teil müsse Pulver bereits mit Steinsalz gestreckt werden. So sei nicht zu vertreten, dass kriegswichtiger Sprengstoff für einen Film »verpulvert« würde. Auch müsse die Frage gestattet sein, mit welchem Recht sich Herr Harlan als Großmeister der Artillerie gebärde? Kurzum, Ressentiments!
Goebbels ging darauf nicht weiter ein, stellte nur die Frage, wozu Harlan so große Lieferungen an Dynamit benötige.
Im Verlauf der projektierten Filmhandlung soll, der Historie entsprechend, das Vorfeld der Stadtfestung Kolberg unter Wasser gesetzt werden; dennoch werden napoleonische Truppen zum Sturmangriff ansetzen. Zuvor müssen möglichst viele Sprengladungen unter Wasser platziert werden. Für Infanterie und Kavallerie werden die Sprengstellen vorher markiert. Nur ein paar Spezialisten sollen, von Panzerungen unter den Uniformen geschützt, mit Detonationen hochgeschleudert werden. Beim Sperrfeuer auf die attackierende französische Kavallerie möchte Harlan leinwandfüllende Sprengfontänen sehen. Demnach muss die Wirkung von Explosivgeschossen simuliert werden – die es allenfalls bei Mörsern gab, nicht aber im Direktbeschuss der Feldschlacht. Die optische Dramatisierung bedeutet: großer Bedarf an Sprengmitteln. Schließlich müssen auch Häuser zum Einsturz gebracht werden. An der Heimatfront stehe für solche Zwecke aber nicht ausreichend Dynamit zur Verfügung.
Dann müssen Pioniereinheiten im Osten Sprengmittel abführen. Ich werde mit dem Führer darüber sprechen. Sonst noch was im Busch?
Wir brauchen mehrere tausend Flinten im Stil jener Zeit. Ich habe einen Sammelruf an Zeughäuser ergehen lassen, erhielt aber nicht die erwünschten Rückmeldungen. Man beruft sich auf Bombenschäden auch in Magazinräumen.
Na, wo ihr schon mit Klopapier arbeitet – wie wärs mit Holzgewehren?
Für das Filmprojekt wurde ein Militärhistoriker engagiert, der eisern darauf besteht, dass die Gewehre zumindest der ersten Kadres originalgetreu nachgebaut werden. Er hat klar zu erkennen gegeben, dass er von dieser Forderung kein Jota abweichen wird. Von Zeughäusern können Waffen jener Zeit nicht in ausreichender Menge zur Verfügung gestellt werden, also müssen Kadres aufmarschierender ›napoleonischer‹ Truppen mit originalgetreuen Kopien der
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