Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)
›Ta-Shima ist eine Amme, die den kleinsten Fehler hart bestraft.‹ Und es stimmt wirklich. Zu Anfang hat der Planet einen hohen Tributgefordert. Im Laufe der Zeit haben wir uns dann an das Klima gewöhnt, und auch an andere Schwierigkeiten. Im Allgemeinen jedoch bleiben die Fremden nicht länger als ein paar Jahre. Dann verlassen sie Ta-Shima, um auf die Planeten zurückzukehren, die gastfreundlicher sind. Außerdem gibt es im Dschungel nur wenig zu erobern, abgesehen von einigen essbaren Pflanzen und Gewürzen, die Sie sicher kennen, da ich sie in Neudachren ebenfalls gesehen habe.«
Die zweite Ehefrau von Botschafter Rasser bekam einen Schüttelfrostanfall.
»Warum bleiben Sie dann da? Nun, wo man Ta-Shima entdeckt hat, könnten Sie doch alle auf einen gemütlicheren Planeten ziehen. So viele sind Sie doch nicht.«
»Ta-Shima verlassen? Ich kann nicht für die anderen sprechen, aber dieser Gedanke ist mir persönlich noch nie durch den Kopf gegangen.«
»Nicht einmal, nachdem Sie das wundervolle Neudachren kennengelernt haben? Sie haben nicht die Absicht, sich dort niederzulassen, jetzt, nachdem Ihre universitären Studien Ihnen das Recht geben?«, fragte jemand erstaunt.
»Neudachren ist sehr schön, und es war angenehm dort, aber nicht ich habe mich entschieden, dorthin zu gehen. Ich habe lediglich die Weisung erhalten, dort die für meine Studien nötige Zeit zu verbringen. Bleiben sollte ich dort nie.«
Die Rotation des Raumschiffes vermittelte den Eindruck, als würde die Sonne in schwindelerregendem Tempo aufgehen. Die schützenden Sonnenfilter senkten sich mit einem brummenden Geräusch und bedeckten die gesamte Oberfläche der Kuppel. Alle blickten nun auf den Planeten, der zur Hälfte unter einer dichten Wolkenschicht verborgen lag. Die Wolken bewegten sich wirbelnd wie ein gigantischer Mahlstrom. Mal zeigten die Spitzen auf die eine, mal auf die andere Hemisphäre.
Als das Annäherungsmanöver das Raumschiff unter die dichten Wolken geführt hatte, stießen die Ta-Shimoda, die im Dunkeln sehr viel besser sehen konnten als andere, einen Seufzer der Erleichterung aus. Die Passagiere aus der Außenwelt dagegen beobachteten verblüfft das Phänomen, von dem nur wenige Raumforscher behaupten konnten, es gesehen zu haben: eine Welt, in der es praktisch keine von Menschen bewohnten Siedlungen gab. Der Kontinent, den sie überflogen, war von einer wilden Dschungellandschaft überzogen, so weit das Auge reichte. Es war ein monotoner Ozean aus Pflanzen, in dem die Farben Blau und Grün vorherrschten. Ab und an konnte man auch die spiegelnde Fläche eines weitläufigen Gewässers ausmachen.
»Man sieht gar keine Tiere«, merkte Arsel an. »Was für herrliche Seen ... trotzdem ist es merkwürdig, dass es an den Flüssen keine Badeorte gibt. Und was sind das für blaue Bäume?«
»Ich bin mir nicht sicher, ob man aus botanischer Sicht von Bäumen sprechen kann«, erklärte der Professor, pedantisch, wie er nun mal war. Fragend wandte er sich Oda zu, der ihm die Antwort lieferte.
»Wir bezeichnen die größten Pflanzen als Bäume, obwohl sie keine Ähnlichkeit mit den Obstbäumen aufweisen, die wir kultiviert haben. Sie sind sehr hoch. Das ist auch der Grund dafür, dass man die Tiere nicht sieht. Was Sie da sehen, ist nur die obere Schicht der Vegetation, weit oberhalb des Bodenniveaus. Darunter wächst ein Gewirr von Pflanzen, und am Boden ist es nahezu dunkel. Und in den großen Seen darf niemand baden, weil dort die Oddaï hausen, gewaltige Fleischfresser, die mehr als dreißig Meter lang werden können. Sie leben im Wasser, weil ihr Gewicht es ihnen unmöglich machen würde, sich auf der Erde fortzubewegen. Aber im Wasser sind sie extrem schnell.«
»Warum werden sie nicht eliminiert?«, fragte einer der Umstehenden.
»Sie leben in den Seen, wir auf der Hochebene. Sie stören uns nicht. Außerdem sind sie nützlich, wenn auch nur indirekt: Sie sind derart verfressen, dass man sie als Müllmänner bezeichnen kann. Und ohne sie würden die kleineren Tiere auf die Hochebene vordringen, was fatal wäre, denn wenn diese hungrigen Biester auf der Suche nach Nahrung den Dschungel verlassen würden, wäre das Leben weitaus gefährlicher für uns.«
»Also gibt es tatsächlich wilde Tiere, die in Freiheit leben? Dasist ja spannend! Ich wusste gar nicht, dass es so etwas außerhalb der Safariparks gibt«, sagte Arsel mit einem Anflug von Koketterie, wobei ihre Nase sich in kleine Falten legte. »Waren Sie
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