Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)
Professor zu und fragte ihn nach den Ergebnissen seiner linguistischen Studien. Die Folge war eine ausschweifende und enthusiastische Antwort. Oda begriff gar nichts von dem, was der Professor erzählte. Doch er war sicher, dass auch keiner der anderen Gäste etwas begriffen hatte, auch wenn sie dem Professor voller Überzeugung zustimmten.
In diesem Augenblick erhob der Kapitän sein Glas und prostete seiner Tischnachbarin zu. Er regte an, die intellektuellen Ausschweifungen zu beenden, da sie die anwesenden Damen doch nur langweilen würden. Oda rechnete mit einem Proteststurm, hatte der Kapitän die Frauen doch zu Idiotinnen abgestempelt. Stattdessen kicherten sie zufrieden, und die Gespräche drehten sich jetzt um das soziale Leben von Neudachren. Man sprach über Filme und Holovid-Schauspieler, von denen er nie zuvor etwas gehört hatte. Er seufzte vor Erleichterung und wartete – in seinen eigenen Gedanken verloren – geduldig darauf, dass die Mahlzeit nun bald beendet sein würde.
Mit Genuss aßen sie ihr Dessert, eine der köstlichen Tartes, für die Neudachren bekannt war. Und als man eine kleine, mit Intarsien verzierte Dose herumreichte, die ein besonderes Freudenpulver enthielt, nahm sich Suvaïdar davon, wie es sich gehörte.
»Was ist das für ein Pulver?«, fragte Oda argwöhnisch.
»Sie schnupfen es«, antwortete seine Schwester. »Es hat dieselbe Wirkung, als würde man einen Schlauch Wein aus den Blättern des Tcha trinken.«
»Niemand wäre so verrückt, in Anwesenheit anderer Personen einen ganzen Schlauch Wein zu trinken. Er würde das Risiko eingehen, die Kontrolle über sich selbst zu verlieren. Kannst du dir vorstellen, was passieren würde, würde ich mich nach so viel Wein duellieren?«
Oda lehnte das Pulver dankend ab. Suvaïdar dagegen versicherte sich mit einem kurzen Blick, dass niemand sie beobachtete. Dann führte sie die Prise, die sie genommen hatte, zur Nase, ließ sie jedoch auf ihren Teller fallen, wo das Pulver sich mit den restlichen Krümeln der Tarte vermischte.
»Ich glaube, das ist das Zeichen, dass die Mahlzeit beendet ist«, flüsterte sie Oda zu. »Wir sollten uns jetzt zurückziehen.«
Sie bedankte sich auch im Namen ihres Bruders bei ihrem Gastgeber.
Rasser stand auf. »Ich muss mich bei Ihnen bedanken«, erwiderte er. »Ich weiß nicht mehr über Ihren Planeten als das, was mein Vorgänger mir übermittelt hat. Und hier habe ich die einmalige Gelegenheit, Informationen aus erster Hand zu bekommen.«
Auf Brücke C wartete Tichaeris gemeinsam mit Keri auf ihre Rückkehr.
»Die Asix haben mir erzählt, welche Abscheulichkeiten die Barbaren auf den Tisch gebracht haben«, verkündete Tichaeris. »Also habe ich mich auf die Suche nach etwas Besonderem gemacht, was ich euch servieren kann.«
Alle vier setzten sich im Schneidersitz auf die Matte, um eine richtige Ta-Shimoda-Mahlzeit zu genießen: Gemüse, Bergkäse, Algen und einen Fisch von der Hand-Inselgruppe.
Anders als die terrestrische Tierwelt waren viele Meerestiere, deren Aussehen ein wenig an ihre Gegenstücke in den Meeren des Ursprungsplaneten erinnern, essbar, wenn man sich an gewisse Vorsichtsmaßnahmen hielt. Bei dem Fisch, den Tichaerisaufgetischt hatte, waren beispielsweise die Flossen giftig; man musste sie vor dem Kochen entfernen, um nicht das ganze Fleisch damit zu infizieren. Auch eine Vielzahl von Weichtieren waren zum Verzehr geeignet; von einigen sollte man allerdings nicht zu viele essen, da sie geringe Mengen an Alkaloiden enthielten, die die Wirkung von Halluzinogenen besaßen.
Seit nahezu sechshundert Trockenzeiten analysierten und klassifizierten die Ta-Shimoda alle Erd- und Wasserpflanzen und die gesamte Tierwelt – eine schier endlose Arbeit in Anbetracht der vielfältigen Flora und Fauna. Dazu kamen rund hundert verschiedene Algen und verschiedenartige Fische und Mollusken. Und im Dschungel hatten sie weitere essbare Gewächse entdeckt, die die traditionellen Produkte – vor allem Getreide – ihres Speiseplans bereicherten.
*
Die letzte Reisewoche brach an.
Als der Kommandant entdeckt hatte, dass alle Rundgänge der Besatzung auf den Kopf gestellt worden waren, um zu vermeiden, dass die weiblichen Mitglieder allein ihre Runden drehen mussten, ließ er keine Bemerkung darüber fallen. Und er sagte auch nichts dazu, dass gegen die Vorschriften plötzlich alle das kurze Messer am Gürtel trugen. Dies bestätigte ihm nur, dass seine Leute, die er sehr schätzte, mutig waren.
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