Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)
Hause genommen, denn er war launenhaft. Wenn er sich nicht änderte, würde er bald Ärger bekommen, denn in ein paar Monaten musste er in die Schule. Um das heftige Brennen in seinen Muskeln zu lindern, hatte er die Beine fast vollständig gestreckt, ohne zubemerken, dass Daïni, die Asix-Assistentin, hinter ihm stand. Sie trat einen Schritt auf ihn zu, legte die Hand zwischen seine Schultern und schubste ihn. Akio machte zwei kleine Sprünge nach vorn, um das Gleichgewicht wiederzuerlangen, stieß dabei jedoch mit einem anderen Schüler zusammen und fiel hin.
»So hast du das aber nicht gelernt«, sagte die Asix. »Wenn du glaubst, du könntest es dir hier bequem machen, ohne dass jemand es sieht ...«
»Habe ich doch gar nicht!«, rief Akio wütend.
Im Raum wurde es still. Doran Huang drehte sich langsam um.
»Was hast du gesagt?«
»Nichts«, antwortete der Bengel kleinlaut.
Ein Schlag traf ihn im Rücken.
»Das ist dafür, dass du gelogen hast.«
Sie verpasste ihm einen zweiten, kräftigeren Schlag.
»Und das ist dafür, weil dir jeglicher Respekt gegenüber denen fehlt, die dir etwas beibringen wollen. Entschuldige dich bei Daïni.«
»Aber sie ist nur eine Asix.«
Die Ausbilderin warf dem Jungen einen frostigen Blick zu, der bereits zwei Generationen kleiner Huangs Angst gemacht hatte.
»Verlass sofort die Klasse und warte in meinem Büro auf mich«, befahl Doran Huang.
Während Akio zum Umkleideraum ging, fügte sie hinzu, wobei sie die Reitpeitsche schwang: »Und spar dir die Mühe, deine Tunika anzuziehen.«
Akio verneigte sich stumm und änderte widerwillig die Richtung.
»Hast du nichts vergessen?«
»Ich entschuldige mich.«
»Bei wem?«
»Bei dir und Daïni.«
»Daïni Adaï .«
»Daïni Adaï. Bitte entschuldige.«
Gesenkten Hauptes ging Akio zum Büro, wohl wissend, welche Art der Spezialbehandlung ihn dort erwartete. Lara hatte Mitleidmit ihm. Gewiss, er hatte es verdient, und jeden konnte es eines Tages treffen, aber er war noch so klein. Und es lag auch an Dol, dass Akio so war: Sie verwöhnte ihn zu sehr.
Laras Blick folgte Akio. Auch Cort schaute ihm hinterher. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, und für einen winzigen Augenblick nahm sein Gesicht einen Ausdruck der Lüsternheit an, um sofort wieder von der emotionslosen Maske eines Shiro verdrängt zu werden. Dann ging er durch die Reihen der Kinder und verpasste dem einen oder anderen einen Schlag zwischen die Schultern, wobei die Schläge einen Tick kräftiger ausfielen, als nötig gewesen wäre.
Nicht nur Lara hatte sein Verhalten beobachtet, auch die Blicke von Doran Huang ruhten fest auf ihm. Ihre Augen waren kalt wie die eines Reptils. Auch wenn sie äußerlich ungerührt blieb, war Lara sicher, in ihrem Blick eine Drohung zu erkennen.
Ein paar Minuten später rief sie: »Bauchtraining und Armbeugen, bis ich wiederkomme. Daïni, du passt auf.«
Dann ging sie zu ihrem Büro. Lara spitzte die Ohren, hörte aber keinen Lärm aus dem kleinen Raum. Akio hatte offenbar beschlossen, die Strafe ohne Flennen über sich ergehen zu lassen.
Als Doran Huang zurückkam, war ihr anzusehen, dass sie schlecht gelaunt war. Die Stunde heute würde schwer werden, denn Doran ließ bestimmt nichts mehr durchgehen.
Die Schüler mussten nun einen zweiminütigen Kampf mit bloßen Händen führen – wieder eine Übung, in der Lara nicht besonders glänzte. Zweimal landete sie auf dem Boden und kassierte einen Schlag auf den Solarplexus, eine schmerzhafte Schlappe. Sie hasste jede Minute dieses Drills und begriff nicht, warum manche Schüler geradezu süchtig danach waren.
Es folgte der Kampf mit den großen Säbeln, die man mit beiden Händen halten und in weiten Kreisbewegungen führen musste: parieren, Attacke, wieder parieren ...
Bald war Lara schweißgebadet. Die Schüler erhielten die Order, die Gegner zu wechseln, verbeugten sich vor denen, mit denen sie gerade gekämpft hatten, um sich dann vor ihren neuen Gegnern zu verneigen. Lara steckte sogleich einen Schlag in den Bauchein, der sie zweigeteilt hätte, wäre eine richtige Klinge benutzt worden. Aber auch so durchraste sie ein stechender Schmerz. Sie schaute nicht nach unten, wusste aber, dass die Wunde schlimm sein musste, denn der Schweiß brannte wie der Saft des Kormarou, eine giftige Pflanze, deren Saat manchmal vom Wind auf die Hochebene getragen wurde und dort keimte.
Der Schmerzen wegen wurde Lara langsamer und hatte sofort wieder Pech: Unvorsichtig hatte
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