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Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)

Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)

Titel: Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adriana Lorusso
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Fragen.
    Plötzlich stieß Dol einen heftigen Schrei aus. Eine der Asix-Frauen sagte zu ihr: »Jetzt pressen, weiter. Ja, so ist es gut!«
    Zwischen Dols Beinen erschien ein blutiges, kleines Etwas, das so gar nichts Menschliches an sich hatte. Die eine Asix-Frau machte sich kurz daran zu schaffen; dann hob sie es in die Luft, und alle vernahmen einen kräftigen Schrei.
    »Alles ist gut! Das ist ein hübscher kleiner Junge!«, rief sie – eine völlig überflüssige Feststellung: Wäre nichts so, wie es sein sollte, hätten die Ärztinnen des Lebenshauses die Schwangerschaft längst abgebrochen.
    Die Anwesenden nickten zufrieden – auch Lara, obwohl sie das Neugeborene schrecklich hässlich fand, ganz rot und zerknautscht, mit einem runden Gesicht ohne irgendeinen menschlichen Ausdruck.
    Die Asix schnitt die Nabelschnur durch und tauchte das Neugeborene in ein Becken, das zwei Finger hoch mit Wasser gefüllt war. Nachdem der Säugling gewaschen war, erinnerte er schon ein bisschen mehr an ein menschliches Wesen. Dol streckte besitzergreifend die Arme aus und legte das Kleine an ihre prallen Brüste. Tröstliche Laute kamen aus ihrem Mund.
    Die biologische Mutter warf einen Blick auf ihren Sohn undseufzte: »Wenn wir doch nur genauso leicht entbinden könnten! Ich habe es zweimal erlebt, und ich versichere euch, dass ich kein Bedürfnis habe, das zu wiederholen. Gut gemacht, Dol! Ein wunderhübscher kleiner Mann von bester Gesundheit, wie immer! Ich vertraue ihn dir an, so wie ich es bei den anderen Kindern getan habe. Aber dafür nehme ich Kio. Ein paar Monate lasse ich ihn noch bei dir, aber wenn ich höre, dass sie herumjammert oder irgendwelche Dummheiten anstellt, ist es an der Zeit, dass ein Shiro-Tutor sie unter seine Fittiche nimmt.«
    »Kio?«, fragte Dol. »Warum so schnell? Kannst du sie mir nicht noch ein bisschen lassen?«
    »Hast du nicht genug Knirpse, die an deinem Rockzipfel hängen? Ich nehme Kio mit«, antwortete die Shiro, diesmal energisch.
    Sie verließ das Zimmer. Lara hörte, wie sie dem kleinen Mädchen befahl, sie zu begleiten.
    »Aber warum?«, fragte Kio.
    »Weil ich es sage.«
    »Aber ich will nicht ...«
    Das Geräusch einer Ohrfeige war zu vernehmen, dann lautes Gejammer.
    »Eine Shiro weint nicht!«, stellte die Frau ungeduldig fest.
    »Und sie gehorcht, wenn man ihr eine Anweisung erteilt«, fügte ihre Begleitung hinzu. »Beeil dich, Kleine.«
    So verschwand auch Kio aus Laras Leben. Allerdings traf es sie nicht allzu sehr: Der Altersunterschied zwischen ihnen war zu groß gewesen, als dass sie zusammen gespielt hätten oder Freundinnen hätten sein können. Aber musste das alles auf so brutale Weise geschehen?
    Lara wandte sich Dol zu, in dem Glauben, diese bräuchte jetzt Trost. Aber ihre Pflegemutter begeisterte sich für das neugeborene Baby, das zwei große, lebhafte Augen öffnete. Sie sprach nicht mehr über Kio, nicht an diesem Tag und nicht an den Tagen darauf. Lara hatte den Eindruck, dass Dol die kleine Kio zwar nicht vergessen, aber die Gedanken an sie verdrängt hätte.
    *
    Als Wang aus der Schule kam, bedauerte er sehr, nicht bei der Entbindung dabei gewesen zu sein. Er zeigte besonderes Interesse an den beiden Shiro, die gekommen waren, um die Geburt mitzuerleben.
    »Glaubst du, dass unsere Mutter auch dabei war, als wir auf die Welt gekommen sind?«, fragte er Lara.
    »Woher soll ich das wissen? Frag Dol, vielleicht erinnert sie sich daran. Auf jeden Fall können wir nicht beide hier geboren worden sein.«
    »Und warum nicht?«
    »Wir sind nur drei Monate auseinander, du Trottel. Da ist es unmöglich, dass ein und dieselbe Pflegemutter uns entbunden hat.«
    »Ach so, ja, daran habe ich gar nicht gedacht. Vielleicht hat unsere leibliche Mutter einen von uns beiden selbst auf die Welt gebracht?«, fügte er hoffnungsvoll hinzu.
    »Unmöglich!« Lara schüttelte den Kopf. Und weil sie zögerte, an ihre Mutter zu denken – das war ein Thema für stille Stunden –, fragte sie Wang, wie seine Prüfungen verlaufen seien.
    »Lass uns lieber nicht darüber sprechen«, antwortete er. »Ich habe Angst, dass der Lehrer seine Gerte auswechseln muss, wenn er mir alle meine Fehler aufgezählt hat. Gehen wir zur Akademie? Ich muss mich ein bisschen entspannen.«
    »Also gut.« Lara seufzte. Sie konnte es kaum erwarten, auf die Universität gehen zu dürfen, um endlich die Kampfkurse aufgeben zu können, die sie hasste.
    Der Fechtsaal des Clans befand sich hinter dem großen Haus.

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