Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)
sie ihren Schutz geöffnet und kassierte erneut einen Stoß, diesmal noch heftiger.
»So nicht, Mädchen«, sagte Doran ungeduldig. »Stell dich da hin.«
Lara befolgte die Anweisung.
»Mach die gleiche Attacke noch einmal«, befahl Doran.
Lara gehorchte. Die Ausbilderin wich ihrer Waffe mit einer kaum wahrnehmbaren Drehung aus dem Handgelenk aus. Dann prasselten auch schon die drei von einer Schnur zusammengehaltenen Binsen auf Laras Bauch.
»Hast du gesehen? Noch einmal!«, befahl Doran.
Wieder parierte sie den Angriff, und die Reitpeitsche grub eine zweite Furche in Laras nackte Haut.
Nach dem Unterricht, unter der Dusche, stellte Lara fest, ohne wirklich überrascht zu sein, dass sich auf ihrem Oberkörper zwei parallele Striemen befanden, die von Dorans Reitpeitsche herrührten. Sie waren identisch mit denen, die ihren Bauch zierten und von Cort stammten.
Cort sah Laras Wunden und sagte herablassend: »Du bist eine Null. Das kommt davon, dass du dein Leben mit den Asix verbringst. Und dieser Akio ist ein noch größerer Versager – fast so schlimm wie Daïni.«
»Sei bloß vorsichtig!« Daïnis Stimme war heiser und tief. Sie bewegte die Schultern, um ihre imponierende Muskulatur zur Schau zu stellen. Trotz ihres jungen Alters besaß sie bereits die Größe einer Erwachsenen, und alle wussten, dass sie die wohl gefährlichste Kämpferin der kleinen Akademie des Clans war.
»Akio weiß nicht, was er redet«, sagte Lara. »Er wohnt bei der gleichen Pflegemutter wie ich. Ich möchte mich in seinem Namen entschuldigen. Sein Verhalten hat uns alle in Misskredit gebracht. Heute Abend werde ich mit ihm reden.«
Doch dazu hatte sie keine Gelegenheit mehr, denn Akio schlief bereits, als sie nach Hause kam. Und am nächsten Tag erschien nach dem Unterricht sein biologischer Vater, um ihn abzuholen und ihn einem Tutor aus seinem Clan anzuvertrauen.
»Was ist mit uns? Bleiben wir hier?«, wollte Wang wissen. Die anderen verließen nach drei oder vier Trockenzeiten das Haus.
»Ja, auf Anordnung der Saz«, antwortete Dol.
»Der Saz Adaï, der Mutter des Clans?«
»Nein, von eurer Mutter Haridar, der biologischen Saz.«
»Aber wieso?«
Dol zuckte mit den Schultern. Haridar war die mächtigste Person des Planeten, und wer war sie, über deren Anordnungen zu diskutieren?
*
Es waren schon zehn Tage seit Tarrs Abreise vergangen, und die Trockenzeit stand unmittelbar bevor. Alle waren unermüdlich damit beschäftigt, die letzten Vorbereitungen zu treffen. Die Ernte musste eingebracht werden, bevor die Orkane den Wechsel der Jahreszeit einläuteten. Von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang folgten Erwachsene und Kinder gleichermaßen den Anweisungen des Chef-Landwirts: Sie schnitten ab und pflückten, sammelten ein und transportierten alles zu den Lagern und in die Küchen, um sicherzustellen, dass sie die nächsten Monate überleben würden. Bald würde die Sonne die Wolken vertreiben, um ihre tödlichen weißen Strahlen auf die Hochebene zu schleudern.
Der Arbeitsrhythmus wurde jeden Tag hektischer und fieberhafter: Es gab keinen Schulunterricht mehr, die Übungen in der Akademie fielen aus und sämtliche Ausbesserungsarbeiten, die nicht dringend waren, wurden auf später verschoben.
Schon früh in der Morgendämmerung riefen Gongs und Hörner sämtliche Ta-Shimoda auf die Felder und zu den Obstplantagen.Landarbeiter und Ingenieure, Mediziner und Viehtreiber, Künstler, Fechter, Lehrer – niemand durfte sich dem Ruf entziehen.
Zum ersten Mal kamen Lara und Wang in eine Gruppe Jugendlicher. In den Jahren zuvor hatten sie – so empfanden sie es jedenfalls – als Küchengehilfen schwer schuften müssen: schälen, waschen, abtrocknen und Obst oder Gemüse einmachen. Doch wenn sie nun daran zurückdachten, hatten sie beinahe das Gefühl, damals in den Sommerferien gewesen zu sein. Am ersten Tag arbeiteten sie mit einer langen, schweren Sense in einem Getreidefeld, bis sie das Gefühl hatten, ihre Schultern nicht mehr bewegen zu können. Andere junge Leute sammelten die Getreidegarben ein, bevor diese mit Schmutz in Berührung kamen. Ihnen folgte eine Asix-Gruppe, die eines der seltenen Pferde am Zügel führte. Das Pferd zog einen Karren, auf den andere junge Leute die Garben luden, damit sie vor den Stürmen in Sicherheit gebracht werden konnten. Waren die Stürme vorbei, wurden die Garben aus den Lagern zum Trocknen ins Freie gebracht. Später dann wurde das Korn in die Silos transportiert.
»Ich
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