Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)
messen, wie jeder andere zivilisierte Mensch es tun würde.
Und was den Tod der beiden jungen Huang betrifft, gibt es keine endgültige Erklärung. Sie gehörten nicht zum engen Rat der Sadaï und waren auch nicht ihre Sei-Hey. Das Einzige, was sie mit ihr gemeinsam hatten, war ihre biologische Abstammung. Und welche Bedeutung sollte die haben?«
Suvaïdar wollte einwerfen, dass die Fremden davon überzeugt seien, dass es sich bei Ta-Shima um eine Erbmonarchie handelte, doch sie hielt sich zurück. Das wäre nur wieder Wasser auf die Mühlen derjenigen gewesen, die der Beleidigung, die man ihrer Welt zugefügt hatte, mit Gewalt begegnen wollten. Und im Gegensatz zu den Mitgliedern des Rates war Suvaïdar in der Lage, die katastrophalen Konsequenzen einzuschätzen, die eine solche Aktion zur Folge hätte.
»Huang, du hast sie gekannt. Welche Gründe hätten die Außenweltler deiner Meinung nach haben können, Haridar zu töten?«, erkundigte sich eine aus der Runde, ohne zuvor um das Wort gebeten zu haben. Doch die Jestak schritt nicht ein, denn diese Frage brannte allen auf den Nägeln.
Suvaïdar schüttelte den Kopf. Obwohl sie das Äquivalent von sechs Trockenzeiten in der Außenwelt verbracht habe, erschloss sich ihr nicht zwangsläufig, was in den Köpfen der Fremden vor sich gegangen war. Doch die anwesenden Saz Adaï fixierten sie mit bohrenden Blicken. Sie wollten eine Antwort auf diese Frage.
»Ich bin nicht sicher, ob meine Hypothese stimmt«, sagte Suvaïdar langsam, »aber es ist das Einzige, was mir wahrscheinlich erscheint. Ta-Shima ist auf dem politischen Schachbrett Neudachrens zum Bauern geworden.«
»Politisch?«, fragte die Saz Adaï Gantois verwirrt.
»Neudachren?«, fragte eine andere Stimme.
»Die Politik ist eine Art Kampf mit dem Ziel, die Gegner ohne Anwendung von Waffen zu unterwerfen, und Neudachren war in der Zeit, als unsere Vorfahren hierherkamen, noch eine ziemlich unbekannte Welt. Mittlerweile ist sie dank ihrer Waffen und Kampfraumschiffe die mächtigste der hundertsiebenundzwanzig Welten.«
»Tatsächlich?«, fragte die Jestak. »Die Planeten, die einst den Krieg erklärt haben, existieren nicht mehr?«
»Auf Orivaï lebt kein einziges Tier mehr. Der Planet ist zu einer unfruchtbaren Wüste geworden. Und auf Landsend leben nur noch Primitive, die völlig degeneriert sind, seitdem ihre Vorfahren das Opfer massiver Strahlendosen wurden.«
»Ich kann nicht behaupten, dass es mir missfällt, dass diese Fanatiker verschwunden sind«, merkte Tsune Ricardo an, »aber wie haben wir uns die Innenpolitik Neudachrens vorzustellen, und was ist das Besondere an diesem Planeten?«
»Es ist eine der wenigen Welten, die aus den zweihundert Jahre dauernden Unruhen, die unser Universum erschüttert haben, unbeschadet hervorgegangen ist. Zu Beginn der Kriege war Neudachren eine Welt wie alle anderen auch, wenn auch sehr reich. Seinen Führern ist es gelungen, Forscher von jenen Planeten, auf denen die Kämpfe besonders heftig tobten, nach Neudachren zu locken, wo sie eine beeindruckende militärische Flotte aufgebaut haben. Und sie waren intelligent genug, diese Flotte nur zur Verteidigung ihres eigenen Luftraums einzusetzen.
Neudachren hat niemals unter Bombardierungen oder einer Invasion leiden müssen. Während sich die damals hoch entwickelten Welten gegenseitig zerstörten oder in den endlosen Kämpfen, in denen sie ihre Ressourcen verschwendeten, völlig verarmten, wuchs und gedieh Neudachren. Jedes Mal, wenn sich eine Weltaus dem Konflikt zurückzog, ausgeblutet und halb zerstört, schlug Neudachren ihr ein Bündnis und wirtschaftliche Hilfe vor. Deshalb beherrscht Neudachren heute die Föderation, auch wenn die anderen Mitglieder auf dem Papier die gleichen Rechte haben.«
»Willst du damit sagen, sie haben gesiegt, ohne zu kämpfen? Einzig und allein durch Raffinesse? Ohne Ehre?«
»Sie betrachten die Dinge anders. Sie sehen sich als die Friedensstifter des menschlichen Universums und sind stolz darauf. Im gewissen Sinne haben sie auch das Recht dazu, denn ohne Neudachren hätten die beiden Jahrhunderte des Krieges wahrscheinlich das Ende der Zivilisation bedeutet. Sie sind aus Tradition sehr religiös, da ihre ersten Siedler einer Sekte entstammten, die Landsend verlassen hatte, und ihre Politik gründet sich – zumindest den Worten nach – auf den Prinzipien der unitaristischen Religion. Momentan ist eine konservative Partei an der Macht, und es gibt eine Bewegung, die die
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