Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)
Berufe aus und machen auch keine interplanetarischen Reisen.«
»Sie ziehen ihre Kinder persönlich auf?«, fragte eine Alte ungläubig. »Bist du sicher? Ich möchte deine Worte ja nicht in Zweifel ziehen, aber ... und ihre Kinder sind normal?«
»Ich weiß, was du meinst. Es ist ein schädliches System, die Kinder werden verwöhnt und launisch – wie die Kleinen, die man bis zur Volljährigkeitsprüfung oder darüber hinaus bei ihren Pflegemüttern lässt. Sie gelten so lange als minderjährig, bis sie sechzehn Trockenzeiten erlebt haben, auf manchen Planeten sogar zwanzig. Sie leben bei ihren beiden Eltern, die ehelich zusammenleben und mehrere gemeinsame Kinder haben.«
»Zu viele Individuen von ein und demselben Vater und ein und derselben Mutter ... endet das nicht mit degenerativen Erscheinungen?«, fragte jemand.
»Nicht, wenn man auf einen umfangreichen genetischen Pool zurückgreifen kann.«
»Aber wie können die Erwachsenen so viele Jahre miteinander verbringen? Sie müssen sich sehr oft duellieren, nicht wahr?«
»Nein. Bei ihnen gibt es keine Duelle. Konflikte lösen sie vor einem Gericht, eine Art kleiner Rat«, erklärte Suvaïdar.
Zufrieden stellte sie fest, dass diese letzte Neuigkeit die Gleichgültigkeit der Shiro ins Wanken gebracht hatte: Die Alten konnten einen gewissen Ekel nicht unterdrücken.
»Du hast behauptet, dass die Experimente auf genetischem Gebiet immer noch untersagt sind. Sie haben damit nicht wieder angefangen, seit unsere Vorfahren vom Planeten geflohen sind?«
»Nein, und vor einiger Zeit wurde das Verbot sogar noch verschärft. Im vergangenen Jahr hat man einen Mediziner verurteilt, weil er grundlegende Recherchen angestellt und das System entdeckt hat, wie man Krankheiten, deren Ursachen in den Genen liegen, mit DNA -Fragmenten behandeln kann. Die auf diese Weise möglichen Eingriffe in die Erbsubstanz wurden ihnen drastisch vor Augen geführt. Sollten sie entdecken, dass so etwas bei uns gang und gäbe ist, könnten sie beschließen, einen ihrer Religionskriege gegen uns zu führen – so wie sie einst die Universität von Estia bombardiert haben, um die Forschungsergebnisse der medizinischen und genetischen Fakultät zu zerstören.«
Nach wenigen Stunden fühlte Suvaïdar sich so müde wie nach einem langen Tag im Operationssaal. Außerdem war sie völlig frustriert: Sie hatte es nicht geschafft, ihren Landsleuten fremdeWelten wie Wahie oder Neudachren verständlich zu beschreiben. Immer wieder war sie an sprachlichen Problemen gescheitert oder daran, dass es ihren Landsleuten schwerfiel zu begreifen, wie eine Gesellschaft, die sich so von der ihren unterschied, überhaupt funktionieren könnte. Es war unvorstellbar für sie, wie das Leben in einer Stadt ablaufen sollte, in der dreimal so viele Menschen lebten wie auf ganz Ta-Shima.
Tsune Sadaï beendete schließlich die Sitzung, nachdem sie zuvor die Mitglieder des »engeren Rates« ernannt hatte, die ihr direkt und weniger formell zur Hand gingen. Neben ihrem persönlichen Berater und einer Jestak, die gemäß der Tradition von der Alten ihres Clans benannt wurde, nominierte sie auch Suvaïdar wegen deren Kenntnisse über die fremde Welt, Riodan Lal, den Meister der Akademie der Harmonie, der für seine Strenge und sein Festhalten an den Traditionen bekannt war, und schließlich eine Saz Adaï aus Gaia, von der Suvaïdar noch nie gehört hatte. Der persönliche Berater Tsunes unterwarf sich derselben Ernennungszeremonie, die Suvaïdar so anwiderte. Danach gehörte er keinem Clan mehr an und legte sein Schicksal in die Hände der neuen Sadaï. Zum Schluss wurde der enge Rat für den frühen Morgen des nächsten Tages einberufen.
*
Als Suvaïdar am nächsten Morgen das Haus der Sadaï betrat, stellte sie zufrieden fest, dass der Jestak-Clan Kilara ernannt hatte, mit der Suvaïdar sich sehr gut verstand und deren überaus lebhafte Intelligenz sie schätzte.
Die Diskussion ging von Neuem los, doch man kam schneller voran, da sehr viel weniger Personen als tags zuvor an dem Gespräch teilnahmen. Die Sadaï und ihre beiden älteren Berater waren fest entschlossen, den Mord an Haridar und ihren beiden Söhnen nicht ungesühnt zu lassen. Vergeblich wiederholte Suvaïdar, dass jegliche Form der Aggression einem Selbstmord gleichkäme. Sie erreichte immerhin, dass – sollten sie tatsächlich eine Aktion gegen die Außenwelt einleiten – dies ohne formelleErklärung geschehen würde. Vielmehr sollte es so
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