Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)
Modernisierungen in deinem Haus in Niasau ein prachtvoller Fechtsaal gehört. Ich würde ihn gern kennenlernen. Gibst du mir die Ehre und trainierst mit mir?«
»Sehr gern, wenn du möchtest«, murmelte Eronoda und schaute ihre Gesprächspartnerin an, eine stadtbekannte Fechterin. »Aber wir sind im Rat. Da sind Herausforderungen nicht erlaubt.«
»Hättest du Angst?« Sovan Lal to Fina von Goral hatte das Wort ergriffen. »Ich habe den Eindruck, dass du bereit wärst, innerhalb weniger Minuten mehr als zwei Millionen Menschen in den Tod zu schicken.«
»Das wollte ich damit nicht sagen, aber wenn Suvaïdar Huang, die mit den Sitabeh zusammengelebt hat, ebenfalls denkt, dass wir keine Chance gegen sie haben ...«
Sovan Lal unterbrach sie:
»Wir werden nicht einen Teil unserer Bevölkerung für den anderen Teil opfern. Wir sind verantwortlich für die Asix.«
Es war klar, dass Eronoda Bur nun jegliche Chance auf einen Wahlsieg verloren hatte. Suvaïdar fragte sich, wie sie es überhaupt geschafft hatte, bis in die Stichwahl zu kommen. Sie war zu jung und zu unreif. Außerdem hatten die Asix berichtet, Eronoda habe es nur durch Intrigen geschafft, sich an die Spitze ihres Clans zu stellen.
Suvaïdar antwortete weiter auf eine Reihe von Fragen über die Außenwelt. Sie wurde den unangenehmen Eindruck nicht los, dass ihre Landsleute sie nur unzureichend verstanden. Auf jeden Fall waren die Würfel gefallen, und man würde Tsune Ricardo to Han zur neuen Sadaï wählen – ganz gleich, was sie jetzt noch sagen würde. Und genau das geschah nun auch: Mit ihrem unglücklichen Abgang hatte Eronoda Bur ihrer Konkurrentin Tsune Ricardo mehr Stimmen eingebracht, als für den Sieg nötig gewesen wären.
Suvaïdar empfand instinktiv Achtung vor Tsune und schätzte Eronoda gar nicht, aber das Ergebnis der Wahl beunruhigte sie doch: Mit der jungen Händlerin des Bur-Clans wäre es unter Umständen möglich gewesen, einen Gedankenaustausch zu führen, aber Tsune, alt und traditionsbewusst, handelte nur im Namen des Shiro-Codex und im Namen der Ehre, auch wenn sie damit alle in die Katastrophe riss.
Unmittelbar nach den Wahlen folgte die Ernennungszeremonie, die seit sechshundert Trockenzeiten unverändert geblieben war.
Die Jestak entzündete einen Kohlenofen. Dann löste sie mit ihrem kurzen Messer, das sie am Gürtel trug, die Clan-Embleme von der Tunika der neu Gewählten, warf sie in die Kohlenglut und legte das Messer ebenfalls hinein. Tsune Ricardo ließ die Tunika von ihren Schultern fallen, drehte der Jestak ihren Rücken zu und wartete. Ihre Augen blickten ins Leere. Als das Messer heiß genug war, nahm es die Jestak und legte es auf Tsunes Clan-Tätowierung am linken Schulterblatt, um es auszubrennen. Die alteFrau bewahrte eine stoische Haltung. Trotz des Schmerzes zuckte sie nicht ein Mal zusammen. Der Geruch nach verbranntem Fleisch breitete sich im ganzen Saal aus.
Suvaïdar empfand diese uralte Zeremonie als widerlich. In ihren Augen war sie ein typisches Beispiel des Sh’ro-enlei: absurd und grausam. Die anderen Anwesenden jedoch schienen vollkommen anderer Meinung zu sein.
»Tsune Sadaï«, sagte die Jestak und verbeugte sich. Dann räumte sie ihren Platz für die neue Sadaï.
Diese erklärte den Rat für eröffnet.
»Falls es noch Fragen über die Außenwelt gibt, sollten sie jetzt gestellt werden«, verkündete sie. »Es ist nichts Unehrenhaftes, sich für die Fremden zu interessieren. Wissen kann uns keinen Schaden zufügen.«
Viele Hände, die um das Wort bitten wollten, erhoben sich, und die Fragen prasselten von allen Seiten auf Suvaïdar ein. Dieser fiel es leicht, die Fragen zu beantworten, da sie vor allem das tägliche Leben und die Sitten betrafen – Dinge, bei denen sie sich auskannte und die sie deshalb gut erklären konnte.
»Warum sind alle Diplomaten und Händler, die hierherkommen, Männer? Wollen sie uns beleidigen?«, fragte die Traditionalistin Mirina Romano.
»Dafür gibt es keinen besonderen Grund. Neudachren ist ein sehr traditioneller Planet, und man hält diese Berufe für typische Männerberufe.«
»Aber das widerspricht allen Traditionen«!«, rief die Saz Adaï Romano ungeduldig aus.
»Bei uns, aber nicht bei ihnen. Sie leben nicht in Clans, sondern in kleinen Familienverbänden, in denen die Eltern ihre Kinder selbst aufziehen, so wie bei den Asix. Und in den religiös bestimmten Welten ist die Kindererziehung eine Sache der Frauen. Aus diesem Grunde üben sie keine
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