Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)
diese Weise dafür bestrafen wollte, dass er sich auf ihre Seite geschlagen hatte. Sie bemerkte Oda in der Gruppe und grüßte ihn. Er war gefasst wie immer, was sicher nicht nur daran lag, dass er seine eigenen Gefühle verstecken konnte: Suvaïdar war überzeugt, dass Oda es nicht als Strafe empfand, Küchendienst zu schieben. Für ihnhatten alle Arbeiten, die für den Clan getan wurden, die gleiche Wertschätzung verdient.
Schnell verließ sie das Haus, um in den noch angenehm frischen Stunden des frühen Morgens zum Lebenshaus zu gehen, und nicht in der drückenden Hitze des Tages.
Im Lebenshaus stellte sie sich der wachhabenden Ärztin vor und war schon wenige Minuten später in den Arbeitsablauf des Hospitals eingebunden. Sie arbeitete – unterbrochen von einer kurzen Frühstückspause, in der sie mit ihren neuen Kolleginnen die technischen Operationsmöglichkeiten auf Wahie und Ta-Shima verglich – bis zum Abend. Zufrieden machte sie sich auf den Heimweg.
Kaum angekommen, suchte sie nach Gutari und stellte fest, dass dieser ebenfalls zum Küchendienst eingeteilt worden war. Zusammen mit Oda nahm er sich gerade eines Stapels schmutziger Teller an. Oda wusch sie ab; dann reichte er sie Gutari, der sie noch einmal abspülte und dann abtrocknete. Sie arbeiteten ohne eine Spur von Feindseligkeit friedlich Seite an Seite.
»Wie geht es deiner Wunde?«, fragte sie Gutari.
Er schüttelte die Hand und gab zu verstehen, dass alles in Ordnung sei.
»Wenn du hier mit der Arbeit fertig bist, möchte ich noch einmal einen Blick darauf werfen.«
Er zeigte fünf Finger, was so viel heißen sollte wie »in fünf Minuten«.
»Geh ruhig mit, den Rest schaffe ich allein«, warf Oda ein.
Als Suvaïdar die Küche verließ, gefolgt von dem Jungen, wusste sie genau, dass die Saz-Adaï selbst es war, die im Haus anstehende Arbeiten verteilte. Sie gestand es sich nur ungern ein, aber die alte Herrscherin stieg in ihrer Achtung.
Auf der Krankenstation schaute sie sich die Wunde des Jungen genau an. Sie heilte hervorragend. Das war eine der guten Seiten des genetischen Know-how der Jestaks. Jemand aus der Außenwelt mit einer vergleichbaren Verletzung wäre auf die Behandlung mit Antibiotika angewiesen.
»Tut das weh?«
Gutari zuckte mit einem beredten Blick die Schultern. Das Sh’ro-enlei setzte voraus, dass ein Shiro den Schmerz akzeptierte. Deshalb hatte Gutari, nachdem er im Kampf verletzt worden war, auch nach Nadel und Faden verlangt und auf eine Narkose verzichtet.
»Hast du was gegessen?«
Wieder ein Schulterzucken.
»Ich sage in der Küche Bescheid, dass man für dich Fruchtsaft und Suppen zubereitet. In ein paar Tagen wirst du wieder ganz normal essen und sprechen können.«
Bevor der Junge ging, verbeugte er sich tief vor Suvaïdar, den Blick gesenkt. Wenn ein Shiro so protokollarisch grüßte, kam dies einer Entschuldigung gleich.
Suvaïdar verbrachte die sieben vorgesehenen Tage im Lebenshaus und fühlte sich sehr wohl dort. Es gelang ihr, eine auf gegenseitige Wertschätzung beruhende Beziehung zu den Jestaks aufzubauen, mit denen sie zusammenarbeitete. Mit einer von ihnen schloss sie sogar Freundschaft, die so herzlich war, dass sie sich einander beim Vornamen anredeten.
Der Clan der Jestak to Gonzalo hatte zwar nicht so viele Mitglieder, doch er war überaus mächtig. Alle Frauen dieses Clans schlugen eine Karriere als Ärztin oder Forscherin ein. Diejenigen, die nicht die entsprechenden Fähigkeiten besaßen, wurden von einem anderen Clan adoptiert. Die Jestaks führten nicht nur das Lebenshaus, sondern auch Hospitäler und genetische Zentren. Sie allein bestimmten über die Reproduktion aller auf Ta-Shima heimischen Lebewesen: Shiro und Asix, Haustiere und Pflanzen.
Die Alte des Clans, die man einfach »die Jestak« nannte, hatte die Angewohnheit, sich junge, vielversprechende Wissenschaftlerinnen zur Hilfe zu holen, aus denen man, wenn die Zeit gekommen war, diejenige bestimmen würde, die ihr Erbe antrat. Die Wissenschaftlerinnen waren mit allen Belangen des Clans vertraut, vor allem mit den Abläufen im Lebenshaus. Die konservativen Clans kritisierten dieses System zwar, doch es verhinderte, dass mit dem Tod einer Saz Adaï Informationen und Kenntnisse von unschätzbarem Wert verloren gingen.
Kilara Jestak war eine der Assistentinnen der Jestak, die eng mit ihr zusammenarbeiteten. Sie war eine ausgezeichnete Medizinerin, und mehrmals assistierten Suvaïdar und sie sich gegenseitig im
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