Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)
dass in den nächsten hundertzwanzig Tagen selbst der Astroport nur in Notfällen seine Tätigkeit aufnimmt und nicht einmal die Besuche der Raumfahrtbegleiter oder die Ankunft eines Versorgungsfrachters Zerstreuung bringen. Erst im Sommer wird einem so richtig bewusst, wie klein und isoliert Schreiberstadt ist. Damit wir unter dem Freiheitsentzug nicht so sehr leiden, hatte Botschafter Coont beschlossen, es den Einheimischen nachzumachen: am Tag schlafen und in der Nacht alles andere erledigen. Dann kann man das Haus auch verlassen. Die Mehrzahl der Alteingesessenen verfährt genauso. Ich habe Ihrem Mann geraten, es ebenfalls so zu handhaben.«
In der Regenzeit war Ta-Shima unwirtlich und trist, aber in der Trockenzeit zeigte der Planet seine wohl unangenehmste Seite. Obwohl man von »Trockenzeit« sprach, begann der Sommer in diesem Jahr mit vier Tagen sintflutartigem Regen, der alle Straßen in reißende Sturzbäche verwandelte.
Gerade in dieser Zeit hatte es die meisten Sonnenbrände gegeben, denn auch wenn die Sonne unsichtbar war, so war doch die Wolkenschicht dünner und ließ eine große Menge aktinischer Strahlen hindurch, die ausreichten, um schmerzhafte Verbrennungen zu verursachen. Jeder Schüler in der ersten Klasse am Institut für Astronautik wusste darüber Bescheid, zumindest in der Theorie, und die alteingesessenen Bewohner hatten dieses Wissen schon vor langer Zeit verinnerlicht. Doch unter den neu Hinzugezogenen gab es viele, die nicht begreifen wollten, dass man sich auch bei strömendem Regen schwere Verbrennungen zuziehen konnte. Ein Händler, der gerade auf den Planeten gekommen war,war bei offenem Fenster eingeschlafen und hinterher praktisch blind.
Jai Singh, der Nachfolger von Doktor Duncan, eilte von einem Patienten zum nächsten, um ständig dieselben Empfehlungen zu wiederholen. Er war weitaus interessierter an seinen Patienten als sein Vorgänger, der sich eher für den hiesigen oder importierten Alkohol interessiert hatte. Jai Singh brauchte nur zwei Tage, um herauszufinden, dass die Cormarou-Pflanze verantwortlich für die Ekzem-Epidemie war, die sich plötzlich rasant ausbreitete.
Deshalb waren die Bewohner von Schreiberstadt nun zwischen zwei Platzregen damit beschäftigt, die Cormarou-Pflanze auszureißen. Dabei verfluchten sie alle, die auf die Idee gekommen waren, diese Pflanzen zu pikieren, vor allem die Asix, die ihnen das alles eingebrockt hatten. Der Einzige, der sich bei der Arbeit zu amüsieren schien, war ein Händler, die seit mehr als zehn Jahren auf Ta-Shima lebte. Rasser war erstaunt, dass der Mann nicht vor Wut schäumte wie alle anderen, doch Tani erklärte ihm, dass es sich um Osmad handle, einen großen Gewürzhändler, der steinreich geworden sei. Der Mann habe sich entschlossen, aus persönlichen Gründen an diesem gottverlassenen Ort zu bleiben, obwohl er sich auf den schönsten Planeten der Föderation eine Luxusresidenz hätte leisten können.
*
Osmad legte eine Pause ein und stützte sich auf den Spaten, den er mit mehr Energie als Geschick handhabte.
»Elende Schufterei«, sagte er, während er sich den Schweiß vom Gesicht wischte. »Hätte ich eine meiner Frauen gefragt, ob es eine gute Idee sei, die ganze Hauptstraße mit diesen verdammten Sträuchern zu bepflanzen, hätte sie mir ganz bestimmt die Wahrheit gesagt. Aber mir ist gar nicht in den Sinn gekommen, diese Frage zu stellen. Und wisst ihr was? Wenn ich meine Frauen bei ihrer Rückkehr frage, warum sie mich nicht vor den Unannehmlichkeiten gewarnt haben, die diese Pflanze in der Trockenzeit verbreitet, werden sie große Augen machen und antworten:›Aber Osmad, du hast uns nicht gefragt!‹ Und ich werde lachen, statt mich zu ärgern.«
Nach den heftigen Regenfällen erschien mit einem Mal die funkelnde Sonne an einem kristallklaren Himmel. Und der Westwind, der bereits seit einigen Tagen in immer stärkeren Böen wehte, warf sich mit voller Kraft gegen die Mauern der Häuser und jagte brüllend durch die Straßen von Schreiberstadt. Auf der Hochebene bildeten sich Wirbelstürme. Innerhalb weniger Stunden formierten sich Gewitterwolken, die sich um sich selbst drehten, doch als der erste Tornado vor der Stadt erschien, sah man, dass er nur aus Sand und Staub bestand, ohne einen einzigen Regentropfen darin.
Die Windhose begrub viele provisorische Hütten im Asix-Viertel unter sich und trug die Dächer der höchsten Gebäude ab. Dachziegel, die nicht richtig befestigt waren, verwandelten
Weitere Kostenlose Bücher