Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)
zu ihnen sagte:
»Danke, wir brauchen euch jetzt nicht mehr.«
Rasser wartete, bis die beiden Asix das Zimmer verlassen hatten; dann seufzte er: »Manchmal kommen sie mir wirklich sehr merkwürdig vor. Ist es möglich, dass ihre Entwicklung dadurch geprägt wurde, dass sie so lange fern vom Rest der übrigen Menschheit gelebt haben?«
»In der Anthropologie ist praktisch alles möglich.«
»Auch dass sie aus Starrsinn alle Vorteile in den Wind schießen, die ein Beitritt zur Föderation haben könnte? Ein anständiges Leben, Wohlstand, Konsumgüter ... Alle anderen Planeten teilen diese Meinung und haben sich bestens darin eingefunden.«
»Aber nicht alle Planeten haben das freiwillig getan«, bekundete der Professor. »Denken Sie beispielsweise an Santarrosa. Wir mussten drei Monate gegen die Patrioten der Vereinigten Front kämpfen ...«
Rasser packte ihn beim Handgelenk und hielt es so fest umklammert, dass der Professor befürchtete, er würde es ihm brechen.
»Wollen Sie über die Terroristen sprechen, die unsere ruhmreiche Astroflotte in die Flucht geschlagen hat?«, fragte der Botschafter.
Ihre Blicke trafen sich für einen Moment; dann fixierte Rasser abwechselnd zwei Punkte an der Decke. Professor Li Hao war wie versteinert. Er hatte die Worte fallen gelassen, ohne weiter darüber nachzudenken, und dabei ganz vergessen, dass vor ihm einer der mächtigsten Männer der Föderation stand. Dieser Fehler könnte ihn teuer zu stehen kommen. Darüber hinaus schien Rasser zu befürchten, dass der Raum abgehört wurde.
Der Professor räusperte sich und griff das Thema erneut auf.
»Habe ich ›Santarrosa‹ gesagt? Das war ein freudscher Versprecher, Exzellenz, ein dummer Lapsus. Im Grunde genommen habe ich eine Anspielung auf eine viel weiter zurückliegende Epoche gemacht. Ich bin gerade damit beschäftigt, einen Cube über prähistorische Zivilisationen aus der Zeit vor der Raumfahrt aufzuzeichnen. Wenn Sie Interesse haben, können Sie es sich gerne einmal ansehen. Einige isolierte Gruppen haben sehr fremdartige Sitten und Gebräuche entwickelt. Gut, das ist eine Epoche, über die es keine Dokumentationen gibt, und einige Behauptungen sind eher Mutmaßungen, aber ich versichere Ihnen, es lohnt sich, einen Blick darauf zu werfen.«
»Danke, ich nehme Ihr Angebot gern an«, antwortete Rasser. »Nach dem, was Soener mir gesagt hat, gibt es in der Zeit der Trockenheit nicht sehr viel zu tun. Oh, entschuldigen Sie ... Ich wollte damit nicht sagen, dass Ihr Cube langweilig ist, aber wie Sie wissen, bin ich ein Mann der Tat und kein Gelehrter.«
18
Die Trockenzeit stand
unmittelbar bevor. Von heute auf morgen war Niasau praktisch wie leergefegt. In der Erinnerung der Geschäftsleute war es jedes Jahr so gewesen. Eines Morgens blies die leichte Meeresbrise, die jeden Tag im Morgengrauen auffrischte, ohne wirklich etwas an der drückenden Luft zu ändern, sehr viel kräftiger, statt wie üblich nach einigen Stunden wieder abzuflauen. Aber statt eine angenehme Frische mitzubringen, fühlte die Luft sich an, als käme sie direkt aus einem Hochofen.
»Das kommt aus dem Westen«, sagte ein Asix. Das Gesicht gen Himmel, schnupperte er wie ein Hund.
Die Brise würde sich in ein paar Stunden, spätestens in ein paar Tagen in einen heftigen Wind verwandeln, der die dicken Wolken vom Himmel fegte und der Sonne des Planeten – sie hatte keinen Namen, nur eine Katalognummer im galaktischen Register – den Weg ebnen, ihre blendenden, gefährlichen Strahlen auf Ta-Shima abzuschießen.
Die Trockenzeit kündigte sich an, und die Asix verließen Niasau. Die Wagenlenker warteten bereits am Ufer. Sie ritten ohne Sattel, und die Pferde bewegten unruhig die Köpfe. Als der Wasserstand schließlich fiel – viel schneller, als ein terrestrisches Modul mit Höchstgeschwindigkeit in die Höhe schießen konnte –, passierten sie die Landenge, die aus dem Wasser ragte. Ihre friedfertigen, kräftigen Zugpferde, ermuntert von den Rufen der Lenker und vom Knallen ihrer Peitschen, setzten sich in Bewegung. Als alle die Landenge passiert hatten, ging es einen steilen Pfad hinauf, während das Meer sprudelnd und Gift und Galle spuckend wieder anstieg, um innerhalb weniger Minuten die Landenge zu überfluten.
Sie gingen alle – Bedienstete, die Lebensgefährten der Händler, Müllmänner, Beamte des Astroports, Raumfahrtbegleiter, die aufeine Beschäftigung warteten. Auch die Obst- und Käseverkäufer verschwanden mit ihren
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