Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)
gutem Grund: Während ihrer Plauderei hatte Rasser zwei Informationen von größter Bedeutung preisgegeben. Zum einen hatte er ihren Verdacht bestätigt, dass Kapitän Aber der Mann der Spezialkräfte war. Zum anderen hatte er noch etwas sehr viel Aufschlussreicheres dargelegt: Die zukünftigen Herrscher von Neudachren – also die Herrscher über die gesamte Galaxie –, hatten aller Wahrscheinlichkeit nach kein Interesse an Ta-Shima. Und genau das wünschten sich die Ta-Shimoda: dass man sie vergaß oder zumindest in Frieden ließ. Nur blieben die Regierungen der Föderierten Welten allenfalls bis zu den nächsten Wahlen im Amt oder bis es zu einem Skandal kam. Auf diese Weise war das Problem also nicht endgültig gelöst. Aber sie würden immerhin ein paar Jahre Aufschub erhalten.
Rasser begleitete Suvaïdar zur Tür und wartete einen Augenblick, um ganz sicher zu sein, dass sie in Richtung Brücke ging und nicht zu den Küchen im Freien, wie sie es wohl schon einige Male getan hatte. Dann ließ er noch einmal die Frau und Mann vom Personal kommen, um mit ihnen zu reden. Er rief auch den Professor, damit er ihm mit seinem linguistischen Wissen unterstützte.
»Die Dame ist gegangen«, sagte er mit einem komplizenhaften Lächeln. »Jetzt könnt ihr frei sprechen.«
»Das konnten wir auch vorher. Warum sollte das ein Problem gewesen sein?«
»Ich dachte, ihr hättet vielleicht Angst, eure Meinung vor einer Shiro zu sagen.«
»Vor einer Shiro-Dame?« Der Mann betonte das Wort »Dame« und wandte sich seiner Begleiterin zu, die die Stirn runzelte, weil sie Frage nicht begriff. »Er glaubt«, sagte der Mann, »wir könnten vor der Shiro Adaï Angst haben.«
Die Frau schüttelte lachend den Kopf.
»Warum erstaunt euch meine Frage so sehr?«, wollte Rasser wissen. »Ich habe gehört, dass die Shiro gefährlich sein sollen, blutrünstig und grausam.«
»Sie töten, das stimmt, aber ohne Grausamkeit, und es ist wahr, dass sie gefährlich sind«, sagte der Mann betrübt, »aber nur im Umgang miteinander, nicht uns gegenüber. Das Blut, das vergossen wird, ist stets das Blut der Shiro.«
»Es gibt also keine Duelle zwischen den Shiro und euch?«
»Nur bei den jungen Leuten, und immer nur mit Übungswaffen.«
»Könntet ihr mir ein für alle Mal erklären, warum ihr euch verpflichtet fühlt, alles zu tun, was die Shiro wollen?«
»Weil sie immer nur das Beste wollen«, entgegnete der Mann ein wenig ungeduldig, denn die Frage schien ihm lächerlich.
»Aber sie sind nicht unfehlbar. Sie können sich irren, wie alle anderen Menschen auch. Und wenn sie euch einen irrigen Befehl geben?«
Die Asix lachten nicht mehr. Rasser bekam den Eindruck, dass sie an etwas sehr Unangenehmes dachten.
»Das kommt schon mal vor«, sagte der Mann, »und es ist schlimm.«
»Inwiefern?«
»Wenn ihre Entscheidung für einen von uns negative Konsequenzen hat, muss sich der Shiro, der die Entscheidung getroffen hat, sich töten.«
»Meine Güte! Aber wieso?«
»Das verlangt der Ehrenkodex. Sie sind überzeugt, für die Asix verantwortlich zu sein.«
»Und? Stimmt das?«
»Natürlich nicht!«, rief die Frau, die bis dahin geschwiegen hatte, dazwischen. »Egal, was die adligen Shiro denken, in Wirklichkeit ist es so, dass wir für sie verantwortlich sind, und zwar von Geburt an. Wir sind es, die sie aufziehen, weil wir die erforderliche Geduld haben. Shiro-Eltern könnten den Kleinen Schaden zufügen, wenn sie wütend sind. Und dann, wenn sie groß genugsind, um sich in der Hochsprache miteinander zu unterhalten und sich gegenseitig Shiro Adaï nennen ...«
Der Mann hob warnend die Hand und murmelte Unverständliches. Die Frau erwiderte etwas. Dem Professor gelang es, die Worte »Shiro-Dame« und »antworten« auszumachen. Er begriff, dass der Mann die Frau getadelt hatte, weil sie zu viel redete, und dass sie sich damit gerechtfertigt hatte, man habe ihnen gesagt, sie sollten alle Fragen der Fremden beantworten.
Dann antwortete der Mann selbst, spröde und in wenigen Worten, die Li Hao mühelos verstand. Diese Worte hatte er schon oft als Erwiderung auf seine Fragen gehört. Jedes Mal, wenn er einen der Bediensteten etwas gefragt hatte, was einen Repräsentanten der anderen Rasse betraf:
»Das ist Sache der Shiro.«
Immer wenn diese Worte gefallen waren, war ein Dialog nicht mehr möglich, weil seine Gesprächspartner dann scheinbar kein Wort Galaktisch mehr verstanden. Er zog es vor, das Gesicht zu wahren, indem er höflich
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