Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)
mobilisieren, um alles wieder aufzubauen, wie beispielsweise das Dach über unseren Köpfen, unter dem wir alles Notwendige unterbringen können. Zudem sollten Sie nicht vergessen, dass die Pioniere von Ta-Shima nahezu ausnahmslos renommierte Wissenschaftler waren.
Ich hatte immer schon den Verdacht, dass einige unserer Vorfahren nicht davon überzeugt waren, dass Nahrungsmittel in die Kategorie des Notwendigen fallen. Stattdessen standen auf ihrer Liste Bücher und Labore. Meine Landsleute brauchen Ihr Mitleid nicht. Sie können Dinge nicht vermissen, die sie nicht kennen, weil es sie bei uns nicht gibt. Warum also sollten sie diese Dinge begehren? Eine Weltraumyacht oder eine künstliche Intelligenz, die mit ihnen Schach spielt? Nicht einmal im Traum kommen sie darauf, sich etwas Derartiges vorzustellen. Aber da wir nunda sind, könnte eine Hilfe unsererseits doch dazu beitragen, den allgemeinen Lebensstandard zu verbessern.«
»Unser Lebensstandard passt perfekt zu uns«, erwiderte Oda. »Ich habe zwei Jahre auf Neudachren gelebt und schreckliches Heimweh gehabt. Ich gebe zu, dass es ein wunderschöner Planet ist, aber ich könnte und wollte dort nicht leben.«
Herr und Frau Rasser schauten ihn sprachlos an. Neudachren war das politische Zentrum der Galaxie, eine Welt, in der das Leben brodelte und die Kultur blühte. Die berühmtesten Künstler der Gegenwart kamen hier zusammen. Die auserlesenen, akustisch-olfaktiv-visuellen Konzerte aus dem großen Saal ihrer Hauptstadt Dachrenstadt wurden als Holo-Version in das gesamte Universum übertragen. Allerdings konnten nur die visuellen und auditiven Elemente von den Zuschauern der anderen Welten wahrgenommen werden. Diese bezahlten astronomische Summen für ein subätherisches Zip-Holo, das alle Konzerte der Saison erhielt. Die Geruchskomponente, die für die Ästheten auf Neudachren ganz wesentlich zu den Symphonien gehörte, konnte das Holo leider nicht übertragen.
Aus Dachrenstadt kamen neue Theorien, die neue Mode, wissenschaftliche Entdeckungen, künstlerische und literarische Strömungen, die Raumschiffe und subätherische Zips, die der ganzen Welt schneller als mit Lichtgeschwindigkeit zugänglich gemacht wurden. Dies alles hatte Einfluss auf das Leben von Milliarden von Menschen. Die Stadt war ständig in Bewegung; stets herrschte lebhaftes Treiben, am Tag und auch in den Nächten, die durch ihre funkelnde Beleuchtung sehr viel heller waren als die grauen Tage auf Ta-Shima.
Jeder, der dort an Land ging, hatte nur einen einzigen Gedanken: sich um jeden Preis das subkutane Implantat zu besorgen, das ihm einen ständigen Aufenthalt erlaubte und ihn nicht auf die üblichen sechsundzwanzig Standardmonate der Touristenvisa beschränkte. Dass irgendjemand auf Neudachren einen so trostlosen Ort wie Ta-Shima bevorzugen könnte, erschien ihnen vollkommen unmöglich.
»Das ist ganz natürlich, jeder liebt das Land, aus dem er stammt«,fügte der Professor – wie immer ganz Diplomat – schnell hinzu, bevor der verdutzte Ausdruck der beiden Rassers womöglich als Beleidigung interpretiert werden konnte.
Oda schüttelte den Kopf.
»Niemand kann Ta-Shima lieben. Die Winde sind zu stürmisch, die Berge zu hoch, die Gezeiten der vier Monde sind wahre Tsunamis, tödlich für alle, die von ihnen überrascht werden, und der Dschungel ist mit seiner Vielfalt an giftigen Pflanzen und wilden Tieren, die wir daran hindern müssen, in die bewohnten Gebiete zu kommen, voller furchteinflößender Bedrohungen. Doch es ist mein Planet, und hier fühle ich mich zu Hause. Stets lauert irgendwo eine Gefahr, und ich bin für den Kampf und die Herausforderung geschaffen. Neudachren ist für mich zu zahm, zu gemütlich und zu steril. Die Tage sind dort fade. Es fehlen die Abenteuer.«
»Neudachren soll fade sein? Es ist das Zentrum der Galaxie, wo alles geboren wird und wo Entwicklung stattfindet! Eine Welt von außergewöhnlicher Schönheit! Denken Sie an die Gärten, die wahre Kunstwerke sind, an die Architektur, die Landschaften und die wundervollen Frauen, die auf den einhundertsiebenundzwanzig Planeten die wohl schönsten sind.«
»Die Gärten? In einer Reihe gepflanzte Bäume mit Etiketten, auf denen der Name steht, und kanalisierte Bäche zwischen den Reihen, ohne irgendein Tier oder etwas neckisch Behaartes? Nein, danke, ich ziehe den Dschungel vor, wo der Tod in den unangenehmsten Formen, die man sich vorstellen kann, hinter jedem Baum lauert. Bei uns durch den Wald zu
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