Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)
laufen, ist eines der aufregendsten Dinge überhaupt. Genauso aufregend, wie seine Matte mit einer Shiro-Frau zu teilen.« Oda verneigte sich diskret in Richtung seiner Schwester. Womöglich würde er ihr am nächsten Tag mit dem Säbel in der Hand gegenüberstehen.
»Aber Sie sind doch aus freien Stücken so lange auf Wahie geblieben?«, fragte Frau Rasser, an Suvaïdar gewandt, die nach Odas Anspielung, was das Teilen der Matte betraf, heftig errötet war. »Fehlen Ihnen denn nicht die Luxusartikel und all die schönen Dinge, die das Leben angenehmer machen und die für unsein wesentlicher Teil der Zivilisation sind? Sehnen Sie sich nicht nach den eleganten Möbeln, den elektrischen Haushaltsgeräten, den Holo-Projektoren, dem Autochef, den Theatervorstellungen, den Nächten in der Bar und den schicken Kleidern?«
Suvaïdar warf ihr einen schrägen Blick zu. Die eleganten Möbel und die schicken Kleider? Als würde es nichts Wichtigeres geben! Diese Frau war wirklich töricht und oberflächlich. Wer hatte ihr bloß in den Kopf gesetzt, dass Frauen sich gern über diese belanglosen Dinge unterhielten? Wenn Suvaïdar sich einen »Luxus«-Artikel hätte beschaffen können, wie die Frau es nannte, wäre ihre Wahl zweifellos auf landwirtschaftliche Maschinen gefallen, denn sie hasste die Arbeit in der brütenden Hitze auf den matschigen Feldern. Oder sie hätte sich ein schnelleres und bequemeres Transportmittel als die elektrischen Pendelfahrzeuge mit ihren Holzsitzen gewünscht.
Doch auf Ta-Shima fehlte die gesamte Infrastruktur eines industrialisierten Landes. Maschinen für die Landwirtschaft, das hieß Metall und Motoren, die von Zeit zu Zeit ausgetauscht werden mussten. Da die Motoren atom-, antigrav- oder elektrisch betrieben wurden, würden sie allein die Hälfte der Energie verbrauchen, die auf dem Planeten zur Verfügung stand. Zudem bräuchte man fähige Leute, die die Maschinen bedienen und reparieren könnten. Und für das Ganze müsste man sich bis zum Hals bei den Händlern verschulden.
Außerdem wäre es ein sehr hoher Preis, den die Gesellschaft Ta-Shimas für eine solch radikale Veränderung bezahlen müsste, die sich am Modell Neudachrens orientierte. Zweifellos würde dazu auch der Verlust der Unabhängigkeit gehören. Missionare würden versuchen, die Asix zu bekehren; Funktionäre würden ihre Nasen in alle möglichen Dinge hineinstecken und dies oder das untersagen. Es wäre ein viel zu hoher Preis, den sie als Gegenleistung zahlen müssten.
»Ja, ich spüre den Mangel eines gewissen Komforts«, antwortete Suvaïdar. »Zum Beispiel heißes Wasser, das rund um die Uhr verfügbar ist, oder Sessel, die eine wirkliche Offenbarung sind, aber ich vermisse ganz sicher nicht Ihre Art der Kleidung. Sie erscheintmir unnötig kompliziert. Nachdem ich Ta-Shima verlassen hatte, wollte ich den Rest des Universums sehen und war felsenfest davon überzeugt, die Freiheit in der Fremde zu finden, weit weg von den strengen Regeln unserer Gesellschaft. Doch letztendlich habe ich dasselbe Leben geführt wie hier, zwischen Operationssaal und Krankenbesuchen. Allenfalls die Arbeitszeit war kürzer. Ich habe mich nie völlig integriert. Ich wusste nie, über welche Dinge ich mit den anderen reden sollte. Sie hatten ganz einfach andere Interessen. Meine Kollegen waren sehr freundlich, aber es war niemand dabei, bei dem ich mich richtig wohl gefühlt hätte. Das ist mir erst nach meiner Rückkehr nach Ta-Shima bewusst worden, nachdem ich bestimmte Menschen gefunden oder wiedergefunden habe.«
»Offensichtlich haben Sie hier Ihre Familie. Mit einem Bruder teilt man Kindheitserinnerungen, aber es gibt auch andere Verbindungen, andere Gefühlsregungen. Haben Sie nie an Heirat gedacht?«
»Ich glaube wirklich nicht, dass meine Schwester auf mich anspielt«, brummte Oda vor sich hin. »Wir haben keine gemeinsamen Erinnerungen – aus dem einfachen Grund, dass wir nicht zusammen aufgewachsen sind. Erst auf dem Raumschiff, das uns zu unserem Planeten zurückbrachte, haben wir uns kennengelernt. Hinzu kommt, dass wir Ta-Shimoda nicht heiraten.«
»Auch wenn Sie es anders nennen, kann ich mir sehr gut vorstellen, dass Sie sich wie andere Menschen auch verlieben können und mit denen Sie ...« Der Professor verstummte verlegen. Was den Sex betraf, hatte jede Welt mehr oder weniger ihre eigenen Tabus, und es wurde nicht gern gesehen, dass man diese verletzte. Weil der Professor die Welt der Ta-Shimoda nicht kannte, hatte er
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