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Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)

Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)

Titel: Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adriana Lorusso
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an eine derartige Verbindung Scham empfand. Allein der Gedanke, dass Suvaïdar, die zur Aristokratie dieses Planeten gehörte, weil sie dieTochter der vorherigen Königin oder Präsidentin war, dass diese Frau mit ihrem hübschen Gesicht, den feinen Zügen und den zarten Gliedmaßen mit einem von diesen behaarten Barbaren ein Verhältnis haben könnte, schockierte ihn über alle Maßen.
    Den Professor, weniger von den Moralvorstellungen Neudachrens beeinflusst, war mehr von Suvaïdars Anspielung auf die Duelle beeindruckt, ein Thema, das er überaus interessant fand und zu dem er die Hausangestellten der Botschaft schon oft befragt hatte. Meist hatte er nur die reservierte Auskunft erhalten: »Das ist Sache der Shiro.«
    »Duelle finden bei Ihnen also ziemlich häufig statt? Ich dachte bisher, dass es sich eher um ein marginales folkloristisches Phänomen handelt.«
    »Es ist eine unserer Traditionen«, antwortete Suvaïdar.
    »Eine Tradition? Und waren Sie schon einmal daran beteiligt?«, fragte der Professor, diesmal an Oda gewandt.
    Der warf ihm einen schiefen Blick zu. Wenn einer seiner Landsleute ihm diese Frage gestellt hätte, hätte er sein Können sofort in einer Kostprobe unter Beweis gestellt. Aber bei einem der unwissenden Fremden durfte er diese Frage nicht als verletzend betrachten. Einsilbig gab er zur Antwort:
    »Ja, sechsmal.«
    »Sechsmal? Aber doch nicht erst nach Ihrer Zeit auf Neudachren?«, fragte Rasser, überzeugt, die zivilisatorische Rolle der Föderation bestätigt zu bekommen.
    »Doch. Sechsmal seit meiner Rückkehr. Wie viele Male insgesamt? Ich müsste lügen.«
    »Aber hat es sich dabei um eine Art sportlicher Demonstration gehandelt, oder waren es richtige Duelle? Haben Sie dabei schon mal jemanden getötet?«, wollte der Professor wissen.
    »Das ist eine Frage, die wir in diesem Zusammenhang als falsch erachten«, schritt Suvaïdar rasch ein. »Genauso wenig kann man fragen, ob eine Wunde wehtut. Es passiert einfach hin und wieder, dass man gegen einen Artgenossen antritt – auch mir, obwohl ich persönlich versuche, dies möglichst zu umgehen. Aber ist es nun mal unsere Art, Kontroversen zu lösen.«
    »Also, mir erscheint das nicht angemessen. Der bessere Kämpfer ist der, der gewinnt. Das hat nichts mit Gerechtigkeit zu tun. Warum wenden Sie sich nicht an ein Gericht?«
    »Bei uns gibt es weder Gerichte noch Gefängnisse. Unser System ist vielleicht nicht angemessen, aber haben Sie volles Vertrauen in das System Ihrer Welt? Auf Wahie hatte ich oft das Gefühl, dass die Gerichte zu Gunsten desjenigen Klägers entschieden, der sich den besseren Anwalt leisten konnte oder die besseren Beziehungen nach oben hatte.«
    »Ich dachte, dass Sie gegeneinander kämpfen, wenn es um Fragen der Ehre geht – zum Beispiel, um schwerwiegende Beleidigungen zu rächen.«
    »Es stimmt schon, einige von uns sind sehr schnell beleidigt«, erwiderte Suvaïdar mit einem beredten Augenaufschlag in Richtung ihres Bruders, »und dies aus Gründen, die für einen Fremden nicht nachvollziehbar sind. Es passiert in der Tat, dass man gegeneinander antritt, um das soziale Gleichgewicht wiederherzustellen – etwa wegen eines ungerecht erteilten Befehls an einen Asix oder wegen einer zu strengen Bestrafung eines Jugendlichen. Ist die Verfehlung jedoch sehr schwerwiegend, spricht ein Mitglied der Familie die Kampfansage aus, weil es davon ausgeht, dass das ganze Haus entehrt wurde. Derjenige, der eine nicht akzeptable soziale Tat begeht, muss sich – abhängig von seinen Fähigkeiten – einer ganzen Reihe von Duellen stellen, bis er schließlich unterliegt. Natürlich ist niemand verpflichtet, eine Herausforderung anzunehmen, aber ich habe noch nie gehört, dass jemand abgelehnt hätte.«
    »Ich verstehe«, bemerkte der Professor. »Ein solches System könnte in einer bevölkerten Welt, in der es schon reicht, in eine andere Stadt zu ziehen, um sich inmitten von Fremden wiederzufinden, allerdings nicht bestehen. Doch ich habe eine Studie über die Besatzungen großer Forschungsschiffe gelesen, die jahrelang in Isolation verbracht haben. Jeder kannte jeden in- und auswendig. Die Interaktionen waren höchst interessant. Es gab eine strenge gegenseitige Kontrolle, und unangepasstes Verhalten endete in einem sozialen Ausschluss mit weitreichenden Folgen.Gaia hat nicht viele Einwohner, und ich nehme an, dass Sie alle sich mehr oder weniger gut kennen, folglich verstößt jemand gegen die tief verwurzelte Tradition,

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