Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)
Kontraktion »O-Hedaï«.
»Haridar Sadaï ist tot, O-Hedaï. Der Rat hat uns geschickt, dich zu fragen, ob du zurückkommst – dich zu fragen , wohlgemerkt. Es ist kein Befehl. Niemand hat von Verdammung oder Strafe gesprochen. Eigentlich hätte Sarod Adaï dir die Nachricht überbringen sollen, aber da das Raumschiff einen Zwischenstopp in Neudachren gemacht hat, ist sie zur Universität gegangen. Wenn sie angekommen ist ...«
Er verstummte, weil es an der Tür klopfte. Sie wurde geöffnet, bevor Suvaïdar die Zeit hatte, »Herein« zu rufen. Ein Mann erschien, jung und hübsch, gut gekleidet nach der neuesten Mode der Hauptstadt: Er trug einen hautengen, bunten Body unter einer Fototex-Jacke, dazu ein metallisch glänzendes, schimmerndes Tuch, das bei jeder Bewegung Schattierungen unterschiedlicher Rottöne bis hin zu Purpur zeigte. Mini-Comp und Kommunikator, die er am Handgelenk trug, waren mit Halbedelsteinen besetzt, und an den Fingern der linken Hand trug er mehrere Ringe. Sein Haar war blond, und sein Gesicht war mit einer dünnen Schicht hellem Make-up geschminkt, ganz im Stil Neudachrens. Mit offenem Blick und einem Lächeln fragte er:
»Suvaïdar, hast du Lust, an einem ruhigen Ort etwas mit mir zu essen? Oh, ich sehe, du hast Besuch.«
»Tag, Revann. Ja, tut mir leid, ich habe zu tun.«
Revann warf einen neugierigen Blick auf die Fremden, von denen einer, ein junger Bursche, ihn mit weit aufgerissenen Augen fixierte; die anderen beiden dagegen blickten sich im Zimmer um und heuchelten auf diese Weise eine scheinbar unerschütterliche Gleichgültigkeit. Doch aus den Augenwinkeln betrachteten sie ihn.
Revann beschloss, wieder zu gehen. Wahrscheinlich würde er nun allen Kollegen erzählen, dass er bei Suvaïdar merkwürdige fremde Besucher gesehen hätte.
Bevor Oda seine Erzählung wieder aufnehmen konnte, gab der Tischkommunikator einen Musikton von sich. Eine künstliche Stimme, tief und guttural wie die der Asix, bekundete:
»Vier Mitteilungen in der Pipeline, Frau Doktor, wovon eine die Priorität A hat.«
Suvaïdar bat um Ruhe, aber der Ton erklang erneut, und auf halber Höhe des Displays erschien ein Hologramm. Es stellte ein fremdes Tier dar, das Tichaeris und Win noch nie zuvor gesehen hatten. Es hatte Ähnlichkeit mit einer Henne. Oda, der bereits einmal in der Fremde gewesen war, vermeinte, einen Raubvogel zu erkennen, denn er hatte bereits einige dieser Tiere in einem virtuellen zoologischen Garten gesehen, doch er konnte sich nicht daran erinnern, dass sie so bunt gewesen waren.
»Ich bin betrübt, darauf zu bestehen ...«, begann das Wesen, wobei es den Schnabel auf- und zumachte, mit seinem für einen Asix unpassenden Tonfall.
Nachdem Suvaïdar einen Blick auf ihre Landsleute geworfen hatte, die dieses Beispiel eines besonderen barocken »überflüssigen Zeugs« emotionslos betrachteten, befahl sie dem Apparat mit halblauter Stimme zu schweigen. Das Tier löste sich sofort in einem bunten Regenbogen auf.
»Hier werden wir niemals ungestört reden können. Gehen wir zu mir.« Sie deutete durch das Fenster auf das Viertel der nordöstlich gelegenen Türme, das von den letzten Strahlen der Sonne erleuchtet wurde. »Dort wohne ich.«
Sie führte ihre Besucher zur Parkterrasse unter der Kuppel, die das medizinische Zentrum überdeckte. Weil Win beim Anblick der Rolltreppe und der rollenden Teppiche große, ängstliche Augen machte, beschloss Suvaïdar, den Aufzug zu nehmen.
»Warum gehen die Menschen nicht zu Fuß?«, fragte Win. »Sind sie alle krank? Gibt es in diesem Krankenhaus denn keine Ärzte?«
»Die Einwohner dieses Planeten gehen nie zu Fuß, wenn sie sich anders fortbewegen können«, erwiderte Suvaïdar, ein wenig überrascht, dass der Asix in Anwesenheit drei erwachsener Shiro nicht damit aufhörte, impertinente und überflüssige Fragen zu stellen.
Sie erreichten das Dach. Nachdem Suvaïdar ihre Kennnummer in die Abfahrt-Tastatur eingegeben hatte, näherte sich ihnen leisegleitend ein blasenförmiges Luftmodul. Als sie alle an Bord waren, erkundigte sie sich, was Haridar denn eigentlich genau passiert sei und welche Neuigkeiten es sonst noch über Ta-Shima zu berichten gäbe. Auf der kurzen Fahrt hatte Tichaeris kaum Zeit, ihr zu erzählen, dass die Sadaï bei einem Unfall ums Leben gekommen sei: Nach der Verlautbarung der Föderationsbotschaft hatte Haridar die Einladung des Botschafters angenommen, mit zwei ihrer Söhne einen Ausflug auf die Inseln der südlichen
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