Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)
Meeres zu machen. Dabei hatte das Luftmodul eine Panne und sank. Es gab keinen Überlebenden.
Mittlerweile waren sie auf der Terrasse des Turmes gelandet, in dem Suvaïdar ihre Wohnung hatte. Als Tichaeris von der Sonne angestrahlt wurde, ging sie einen Schritt zurück und legte schützend die Arme vors Gesicht. Sie schüttelte den Kopf, erkennbar verunsichert, die Selbstbeherrschung verloren zu haben, und murmelte vor sich hin, dass es sonderbar sei, plötzlich der Sonne ausgesetzt zu sein. Dann folgte sie Suvaïdar zum gravitierten Aufzug.
Suvaïdar legte die Handfläche auf das Anzeigefeld, um die Erlaubnis für den Zutritt zu erhalten, ohne Zeit für Erklärungen zu verlieren. Dann packte sie Win fest am Arm und machte einen Schritt in die Leere, wobei sie Win hinter sich herzog. Die anderen folgten.
Der Asix leistete keinen Widerstand, doch als er sich in der Luft hängend wiederfand, verspannte er sich vor Angst und schloss die Augen, beruhigte sich aber wieder, als er feststellte, dass sie nicht fielen, sondern sanft in die Tiefe sanken. Als sie die 45. Etage erreicht hatten, machte Suvaïdar einen Schritt nach vorn, wobei sie Win immer noch am Arm festhielt. Er stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.
Sie betraten die Wohnung, die man auf Wahie streng und sachlich fand, die auf Suvaïdars Landsleute aber luxuriös und extravagant wirken musste. In der Wohnung gab es ein Bett mit hydrodynamischer Matratze, zwei Sessel, einen Autochef, ein Speisezimmer für sie ganz allein und eine Dusche mit Massagedüsen.
Offensichtlich war die Bekanntmachung zu Haridars Tod eine Fälschung gewesen, verfasst von einem Bürokraten der Föderation, der sich nicht die Mühe gemacht hatte, gründlich auf Ta-Shima zu recherchieren: Es passte nicht zur Sadaï, kostbare Energie für eine so nichtige Sache wie einen Ausflug zu verschwenden. Zudem lebte sie – wie allgemein üblich – nicht mit den Mitgliedern ihres ursprünglichen Clans zusammen. Deshalb war es höchst unwahrscheinlich, dass sie in Begleitung ihrer beiden Söhne gereist war.
Während Suvaïdar noch darüber nachdachte, programmierte sie eines der wenigen vegetarischen Gerichte, die der Autochef zustande brachte. Nachdem sie auf Wahie gelandet war, hatte Suvaïdar alles Mögliche unternommen, um sich in die Gesellschaft zu integrieren. Sie hatte das Verhalten der Einheimnischen anzunehmen versucht und hatte sogar ihrer Stil der Kleidung übernommen. An den Geruch des Fleisches jedoch hatte sie sich nicht gewöhnen können. Schon der erste Happen hatte bei ihr eine derartige Übelkeit hervorgerufen, dass sie es seitdem nicht wieder versucht hatte – obwohl sie wusste, dass es sich nicht wirklich um ein totes Stück Tier, sondern um ein Produkt aus Hefe gehandelt hatte.
Wieder dachte sie über den angeblichen Unfall Haridars nach. Wenn es gar kein Unfall gewesen war, warum war der alte Botschafter Coont dann ausgeschaltet worden? Hatte jemand in der Führungsriege der Regierung ihn für zu kulant gehalten? Vor allem, seitdem die Ultrakonservativen als Teil der Koalition mit an der Macht waren? Aber welche Gefahr hätte von Haridar, der Staatschefin einer armen Welt, deren Gesamteinwohnerzahl niedriger war als die irgendeiner Großstadt innerhalb der Föderation, ausgehen können? Zumal ihre Söhne mit betroffen waren? War es möglich, dass die Fremden zwanzig Jahre nach dem ersten Kontakt immer noch nicht wussten, dass Ta-Shima keine ihrer anachronistischen Erbmonarchien war, die sich auf einigen rückständigen Planeten gehalten hatten? Selbst wenn die Bewohner von Neudachren, die Politiker inbegriffen, sich als Mittelpunkt des Universums betrachteten und sich gegenüber allem, was andere Welten betraf, ignorant verhielten, wirkte das Ganze wie eine an den Haaren herbeigezogene Geschichte.
Suvaïdar unterbrach ihr Gedankenkarussell und stellte eine Frage, die ihr seit einigen Minuten auf den Nägeln brannte:
»Zwei von Haridars Söhnen sind ums Leben gekommen, habt ihr gesagt? Welche?«
»Micha’l und Sorivas.«
Suvaïdar schluckte und rang nach der Fassung. Sorivas hatte sie kaum gekannt, aber Micha’l war mehr als ein Bruder: Sie waren zusammen bei derselben Asix-Pflegemutter aufgewachsen.
»Ich bin unendlich traurig. Das sind sehr schmerzhafte Neuigkeiten. Aber ich verstehe immer noch nicht, warum der Rat mich bittet, zurückzukommen. Schließlich bin ich ohne Erlaubnis fortgegangen. Ich
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