Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)
Tier herauszuziehen, das an seiner Beute festhielt, so tot es auch war. Dann ließ sie dem jungen Patienten für den Fall, dass das Gift ins Gehirn gelangte und es zu einer Krise kam, Flüssigkeit geben und ordnete an, ihn festzubinden.
Sie wusste, dass der Asix sich durch diese Anweisung gedemütigt fühlen würde. Da es im Augenblick keinen weiteren Notfall gab, nahm sie sich die Zeit, sich an seine Seite zu setzen und ihm zu erklären, dass man ihn nur zu seinem eigenen Schutz festgebunden habe. Es könne passieren, dass er Schüttelkrämpfe bekäme und sich dabei verletzte. Er müsste zwölf Stunden so verharren, doch es würde regelmäßig jemand nach ihm sehen und seinen Zustand kontrollieren.
Der Asix war ein hübscher Junge, muskulös und kräftig und mit kurzen Beinen. Oberkörper und Arme waren mit einer dicken Schicht kräuseliger Wolle bedeckt, ein prachtvolles Zeichen von Männlichkeit.
Um ihn zu beruhigen, lächelte Suvaïdar ihn an und dachte bei sich, dass sie das Gespräch normalerweise mit der Liebkosung seiner Schulter beendet hätte. Dieses wiederum hätte den Asix, sobald er genesen war, angeregt, »sie zu grüßen«. Doch nachdem Suvaïdar die Hologramme im Zentrum für Genetik gesehen hatte, fragte sie sich jedes Mal, wenn sie eine solche Anwandlung überkam, ob dieser Wunsch nach einer zärtlichen Geste etwas mit ihrer Persönlichkeit zu tun hatte, oder ob es sich lediglich um eine Auswirkung der Mutationen handelte, der ihre Rasse ausgesetzt worden war. Das Gefühl, bloß eine Marionette am Ende eines Fadens zu sein – wie die Holzbälle, die Tarr für die ganz Kleinen gebastelt hatte, die seiner Mutter anvertraut waren –, lähmte sie.
Doch Suvaïdar konnte nicht länger darüber nachdenken, denn ein zweites Modul mit zwei jungen Shiro, die sich mit mehr Ungestüm als Geschick duelliert hatten, kam im Lebenshaus an. Beide Jungen gehörten zum Sobieski-Clan. Zweifelsohne hatten sie versucht, mit dem Kampf die Auswirkungen der beängstigenden Szene zu verdrängen, die sich ein paar Tage zuvor ereignet hatte.
Einer der beiden war über und über mit Blut bedeckt, das aus mehreren Wunden quoll. Doch eine gründliche Untersuchung fiel weniger alarmierend aus, als es zunächst den Anschein gehabt hatte. Der andere jedoch hatte eine schwere Verletzung am Auge. Glücklicherweise war er schon fast besinnungslos, sodass Suvaïdar ihm ein Narkosemittel und ein Pflaster aus organischem Gewebe verabreichen konnte, bevor sie ihn behandelte. Der Eingriff war schwierig und dauerte sehr lange. Sie vertraute einem Assistenten die weitere Versorgung an und deckte mit Hilfe eines organischen Pflasters das Operationsfeld provisorisch ab.
Als sie damit fertig war, sagte ihr die Asix-Hilfskraft, dass der andere Duellant noch behandelt werden müsse. Erstaunt erkundigte sie sich, wo denn der Rest des Notfallteams geblieben sei.
»Sie sind alle beschäftigt, Frau Doktor Adaï«, antwortete der Mann und wich ihrem Blick aus.
Man hatte ihm offensichtlich einen Befehl erteilt, der ihm nicht gefallen hatte, und zweifellos hatte man ihm auch gesagt, dass er nicht mit ihr reden dürfe. Suvaïdar stellte ihm keine weiteren Fragen, um ihn nicht in einen Loyalitätskonflikt zu bringen. Er war Mitglied des Jestak-Clans, doch sie hatten oft zusammengearbeitet, und Suvaïdar hatte sich häufig an ihn gewandt, weil er geschickt war und große Erfahrung besaß. In vielen Dingen wusste er besser Bescheid als eine Ärztin, die gerade frisch von der Universität kam. Wäre er kein Asix gewesen, und – was noch schwerer zu Buche schlug – kein Mann, hätte er ...
Doch Suvaïdar verwarf den Gedanken sofort wieder. Wenn man Saïda, der ein Shiro und ein Jestak war, so feindselig begegnete, sollte man sich besser keine Vorstellungen darüber machen, was einem männlichen Asix passiert wäre, der den Wunsch geäußert hätte, Medizin zu studieren. Die Medizin war eine weibliche Bastion, die der Jestak-Clan mit Starrsinn verteidigte.
Suvaïdar begnügte sich also damit, den Asix komplizenhaft anzulächeln und zu murmeln: »Maria Adaï ist eine großartige Ärztin, aber es gibt niemanden auf Ta-Shima, der starrköpfiger ist als sie.«
Der Asix antwortete mit einem Lächeln und stimmte zu. Das wiederum bestätigte Suvaïdars Verdacht. Dann ging sie zu dem anderen Shiro, um ihn zu versorgen. Der junge Bursche fühlte sich gut genug, um darauf zu bestehen, ohne Betäubung genäht zu werden.
»Das ist dein gutes Recht, Shiro
Weitere Kostenlose Bücher