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Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)

Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)

Titel: Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adriana Lorusso
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auf den Boden, an den Zaun einer Koppel gelehnt. Ihre schlanke, grau gekleidete Gestalt war im Nebel, der die Dämmerung erfüllte, nur für die Augen eines Asix sichtbar.
    Es war schon fast stockdunkel, als das Modul nahte. Suvaïdar ging an Bord und grüßte den Fahrer mit einer kleinen Geste; der Mann grüßte auf dieselbe Art zurück. Dann startete das Modul und flog in Richtung Sovesta. Das Geräusch des Elektromotors war kaum zu hören, und die Reise war angenehm.
    Suvaïdar war nur wenige Male an Bord eines Moduls gewesen, und immer nur, um einen Schwerkranken zu begleiten, der ihre ganze Aufmerksamkeit benötigte. Dieses Mal konnte sie das Erlebnis genießen. Die Landschaft war dunkel; man sah nur hier und da die Lichter eines Bauernhofs. Unter ihnen schimmerte der Fluss leicht im blassen Mondlicht, das durch die Wolken fiel. In weniger als einer halben Stunde hatten sie Sovesta erreicht, und sie brauchten noch weniger Zeit, um den Sumpf zu überfliegen, in dem Suvaïdar und die anderen so viele leidvolle Stunden zugebracht hatten. Reihum hatten sie Rico tragen müssen, und manchmal waren ihre Beine bis zur Leiste in dem widerlichen Schlamm eingesunken.
    Von oben betrachtet, war Sovesta nicht sehr beeindruckend. Es wirkte klein und mit den Büscheln schwimmender Pflanzen, die aus dem Wasser ragten, eher trostlos. Darüber hinaus konnte man in dieser Höhe nichts riechen.
    Auf der anderen Seite des Corosaï flog der Asix das Modul einwenig tiefer. Um den Fluss nicht aus dem Blick zu verlieren, blieb er auf Höhe der höchsten Äste; wenn er höher flog, würde die dichte Vegetation den Strom unsichtbar machen. Die Nacht war hereingebrochen, und in der tiefen Dunkelheit des Waldes konnte man die Öllampen des Gesundheitszentrums bereits erkennen.
    »Gehen wir vor den Lichtern herunter«, sagte Suvaïdar. »Dort muss es eine große Lichtung mit einem riesigen Baum in der Mitte geben. Kannst du sie sehen? Ich kann nichts erkennen.«
    »Ich sehe sie, Frau Doktor. Aber ist das nicht zu riskant? Du müsstest dann mindestens noch fünfhundert Meter in der Dunkelheit laufen, um zum Zentrum zu kommen.«
    »Ich werde nicht im Dunkeln gehen. Ich klettere auf einen Baum und warte dort. Mach dir keine Sorgen, ich kenne diese Lichtung sehr gut, ich könnte die Äste mit geschlossenen Augen finden. Ich bin oft dort gewesen, als ich hier gearbeitet habe. Hilf mir beim Ausladen des Bootes und kehre um. Ich danke dir, dass du mich unterstützt hast, Reomer Adaï zu helfen. Wenn niemand dich fragt, gibt es keinen Grund zu erzählen, was geschehen ist.«
    Der Asix setzte das Modul leise auf dem Boden auf, sprang mit einem Satz aus dem Sitz und zog das kleine Boot aus Holz heraus, das er auf einer Trage transportiert hatte. Suvaïdar stieg aus und grüßte ihn; dann kletterte sie schnell auf den Baum, wo sie das Gewirr der Zweige wiedererkannte, die ihr vertraut geworden waren, als sie die zwei Jahre allein hier verbracht hatte.
    Sie machte sich keine Sorgen. Die Asix logen einen Shiro nicht an, doch ein Shiro sollte wissen, welche Fragen er zu stellen hat. Wenn jemand den Fahrer des Moduls fragen würde: »Als du letzte Nacht frei hattest, hast du dir da das Modul ausgeliehen, um jemanden jenseits von Sovesta an Land gehen zu lassen?«, würde er zweifellos mit »Ja« antworten. Doch es war sehr unwahrscheinlich, dass es jemandem einfiel, eine solche Frage zu stellen. Suvaïdar hatte viel länger mit Tarr und Dol zusammengelebt, als Kinder normalerweise bei ihrer Pflegemutter blieben. In dieser Zeit hatte sie vor allem eins gelernt: Wie man einen Asix manipulieren konnte.
    Sie fand den Ort, wo drei Äste sich kreuzten und eine ArtPlattform bildeten. Hier war es sicher, wenn auch unbequem. Hier hatte sie oft gesessen, um zu lesen, Tiere zu beobachten oder – immer vergeblich – zu versuchen, die Ortschaften auseinanderzuhalten, in denen die Stämme lebten – vorausgesetzt, sie lebten tatsächlich dort, denn eigentlich wusste das niemand so genau.
    Sie nahm ihren Gürtel und band sich damit an einem Ast fest, um nicht herunterzufallen, sollte sie einschlafen. Und dann wartete sie.
    Sie hätte nicht gedacht, dass es ihr gelingen würde, doch sie schlief ein wenig, immer nur ein paar Minuten, unterbrochen von einem plötzlichen Erwachen, wenn ihr Gürtel sie daran hinderte, auf die Seite zu fallen. Der Himmel wurde langsam blasser, und ein Geräusch im Unterholz kündigte an, dass auch für die Bewohner des Dschungels ein neuer

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