Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)
Schauspiel, findest du nicht auch?«
»Ich mag gar nicht daran denken, dass es sich bei ihnen um die Vorläuferversion unserer Asix handelt«, murmelte Saïda.
Als sie feststellten, dass die beiden Asix-Hilfskräfte sich angesichts des Schauspiels ihrer augenscheinlich nächsten Verwandten verwirrt und gedemütigt fühlten, berührte Saïda flüchtig den Arm der Asix, die direkt neben ihm ging. Um sie zu beruhigen, sagte er: »Unsere fabelhaften Asix, ohne die wir niemals überlebt hätten.«
An den nächsten beiden Tagen gingen sie wieder zum Treffpunkt, doch vergeblich. Die Asix vom Typ 5 erschienen nicht wieder. Doch rund um die Lichtung herrschte eine so gespenstische Ruhe im Unterholz, dass sie die Anwesenheit der Wilden beinahe körperlich spüren konnten. Kein einziges Tier verirrte sich hierher.
Am dritten Tag murmelte Saïda auf dem Rückweg zum Gesundheitszentrum: »Ich habe das unangenehme Gefühl, beobachtet zu werden. Ich kann die Blicke beinahe zwischen den Schulterblättern spüren. Ich hoffe nur, dass es keine Lanze ist, die sie auf mich werfen wollen.«
»Ich weiß auch nicht, was wir tun könnten, um sie zu beeinflussen«, sagte Suvaïdar. »Sie handeln unvorhersehbar. Sie können genauso gut den Entschluss treffen, dir Früchte zu schenken oder ein widerliches Stück rohes Fleisch, das du dann essen musst. Zumindest muss du so tun, sonst darfst du dich die nächsten Monate nicht mehr zeigen.«
*
Der Tag des hohen Meeres und der drei Monde rückte näher. Jetzt war es leicht, Sovesta zu durchqueren. Suvaïdar musste abreisen, auch wenn sie gern etwas länger geblieben wäre, am liebsten das ganze Jahr. Sie war überzeugt, dass ihre Anwesenheit dafür verantwortlich war, dass unter den Asix vom Typ 5 Ruhe herrschte.
Die letzte Nacht, die sie zusammen verbrachten, hielt sie Saïdain den Armen und schlug ihm vor: »Ich könnte bis zum nächsten hohen Meer in zehn Tagen bleiben.«
»Du wirst große Probleme mit dem Lebenshaus bekommen, vor allem mit deiner Saz Adaï.«
»Das ist mir egal.«
»Lara, als du das letzte Mal gegen die Autorität deines Clans rebelliert hast, bist du in der Außenwelt an Land gegangen. Seitdem ist es dir nicht gelungen, dich von deinem Ruf als Rebellin und Hitzkopf zu befreien. Wenn du jetzt wieder so etwas machst, wirst du schnurstracks nach Nova Estia gehen müssen, wo man schon auf dich wartet. Hinzu kommt, dass du mir nicht damit hilfst. Ganz im Gegenteil: Stell dir vor, wie die Saz Adaï Jestak reagieren würde. Sie wird mich hier im Gesundheitszentrum für die nächsten zwei oder drei Jahre hocken lassen, wenn nicht länger.«
Suvaïdar wusste, dass er recht hatte und konnte nichts darauf antworten.
»Versuch, so selten wie möglich das Haus zu verlassen«, wiederholte sie bereits zum zehnten Mal. »Schick die Mädchen Wasser und Lebensmittel holen. Ihnen droht weniger Gefahr. Und pass auf, dass du nicht ...«
»Hältst du dich für meine Asix-Pflegemutter?«, fragte er zornig und befreite sich aus ihrer Umklammerung.
»Nein, ich bin deine Sei-Hey, und das ist noch viel schlimmer. Ich habe Angst um dich, Reomer Sadï. Verzeih, dass ich dir Anweisungen erteilt habe.«
Betroffen schaute Saïda sie im schwachen Licht der kleinen Lampe an, die sie in dieser Nacht hatten brennen lassen. Ein Shiro entschuldigte sich nicht bei seinen Artgenossen, selbst dann nicht, wenn es sich um seinen Sei-Hey handelte.
»Ich möchte heute Abend nicht mit dir streiten«, flüsterte Suvaïdar. Sie küsste seine Schulter, berührte sie sanft mit der Spitze ihrer Zunge und rieb sich an ihm, was sofort zu einer Reaktion führte.
Während Saïda ihre Brust liebkoste, glaubte Suvaïdar für einen Moment, hinter dem Fenster, das durch dicke, ineinander verwobene Gitterstäbe geschützt war, eine Bewegung wahrzunehmen. Doch das Gitter war so fest gebaut, dass es nächtliche Raubtiere daran hinderte, ins Haus zu kommen. Als sie sich den Zärtlichkeiten Saïdas hingab, schloss sie die Augen und konnte deshalb die beiden brutalen Gesichter draußen nicht sehen, die das Innere des schwach beleuchteten Raumes beobachteten.
Am nächsten Abend reiste Suvaïdar ab. Sie hoffte, dass in der Nacht die wilden Flussamphibien, benommen von der Kälte, nicht auf die Idee kommen würden, ihr kleines Boot aus Holz anzugreifen. An Bord hatte sie bloß eine Feldflasche mit Trinkwasser und einigen Proviant, außerdem etwas sehr Kostbares: einen elektrischen Propellermotor, den sie Oda abgenommen
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