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Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)

Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)

Titel: Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adriana Lorusso
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hatte. Das hatte sie allerdings eine Menge Überzeugungskraft gekostet.
    Sie hatte ihm erzählt, sie wolle ein paar Tage Ferien auf dem Fluss machen. Ob er ihr einen der Prototypen ausleihen könne, an denen er arbeitete? Nur vorsichtshalber, für den Fall, dass der Wind absolut flau sei, wenn sie den Strom hinauffuhr.
    Suvaïdar fühlte sich ihrem vertrauensseligen Bruder gegenüber ein bisschen schuldig, doch sie hatte sich vor sich selbst gerechtfertigt, indem sie sich gesagt hatte, dass sie ihn ja nicht wirklich anlog. Sie hatte ihm nur nicht gesagt, dass es sich bei dem Fluss um den Corosaï-no-goï handelte.
    Die beiden Hilfskräfte trugen schweigend das Boot zum Fluss. Sie hofften, dass die Wilden nicht den Ponton bewachen und erkennen würden, was hier vor sich ging. Suvaïdar verbeugte sich kurz, um sich von Saïda und den Asix zu verabschieden, stieg ins Boot und setzte sich an die Ruder. Das kleine Boot fuhr langsam los, während seine Insassin darauf achtgab, den Kurs zu halten. Um mit ihren Kräften zu haushalten, ruderte sie nicht. Sie würde am nächsten Tag noch genug navigieren müssen.
    Bald war Saïda nur noch ein grauer Schatten in der schwarzen Nacht, dann verschwand er völlig.
    In der Dunkelheit hatte der Fluss etwas Magisches. Weiße, wabernde Dunststreifen erhoben sich über dem schwarzen Wasser, und wie ein Wirbelwind in der Zeit der Orkane rollten sie sich zusammen und wieder auseinander – allerdings mit einerhypnotischen Langsamkeit. Manchmal tauchten die Wipfel der großen Bäume am Ufer auf, wenn die Nebel zerrissen. Suvaïdar, eine gute Shiro, betrachtete diese traumhafte Passage mit Augen, die völlig unempfindlich waren für die Schönheit der Landschaft. Ihre Gedanken kreisten um die Gefahren, denen ihr Sei-Hey ausgesetzt war. Sie würde ihrem Bruder Oda davon erzählen, wenn er sie danach fragte, wie ihre Ferien gewesen seien.
    Wenige Stunden waren vergangen, und das Boot kam langsam in der Nacht voran. Dann stellte seine Insassin fest, dass der Strom langsamer wurde und sie nicht einmal mehr Bäume sehen konnte, so sehr sie sich auch bemühte. Als ein Windstoß mit dem übelriechenden Geruch des Sumpfes ihre Nasenlöcher auf unangenehme Weise kitzelte, fuhr sie ans Ufer und band das Boot mit ihrem Gürtel an einem Ast fest. Nach Sovesta würde sie besser bei Tageslicht fahren.
    *
    Als ein milchiger Tag heraufzog, schaute Suvaïdar sich erst einmal um und orientierte sich. Es war ihr nicht gelungen, eine Karte vom Sumpfgebiet zu bekommen; womöglich hätte sie ihr auch nicht weitergeholfen, denn die Kanäle, die kleinen Inseln mit den schwimmenden Pflanzen und die Sandbänke würden sich sowieso mit den Tiden fortbewegen. Die beiden Hauptwasserwege jedoch blieben mehr oder weniger stabil. Man musste sie nur finden.
    Sie riss ein paar Blätter ab und warf sie ins Wasser, um festzustellen, in welche Richtung sie sich bewegten. Einige strandeten fast sofort, andere jedoch trieben davon, wenn auch langsam und sich um sich selbst drehend, alle in dieselbe Richtung. Suvaïdar nahm einen guten Vorrat Blätter an Bord, um sich nicht an den stinkenden Sumpfpflanzen bedienen zu müssen, und folgte der angegebenen Richtung. Das Hochwasser hatte am Morgen sein Maximum erreicht und fiel bereits wieder, und der schlammige Fluss strömte zum Meer.
    Es kostete sie mehrere Stunden, viele Versuche und fast ihrengesamten Blättervorrat, um schließlich einen sehr viel tieferen Wasserweg zu finden, wo der Strom etwas schneller war. Langsam navigierte sie das Boot mithilfe der Ruder den Strom hinunter. Sie nahm das Geräusch des Meeres schon wahr, bevor sie es sehen konnte und wusste, dass sie sich nicht geirrt hatte.
    Es war nicht leicht, den Nebenarm des Deltas zu finden, der sie nach Gaia bringen würde. Dort warf sie den Motor an. Sie fühlte sich ein bisschen schuldig bei dem Gedanken, dass sie kostbare Energie verschwendete, doch sie wusste auch, dass sie nicht in der Lage gewesen wäre, bis zum Anlegesteg in Gaia zu rudern. Es war doch besser, sich jetzt des Motors zu bedienen. Außerdem konnte sie hier niemand sehen.
    Ihre Versuche endeten mehrmals in einem stillgelegten Arm, sodass sie umkehren musste. Doch schon am Mittag hatte sie das Sumpfgebiet verlassen. Sie hatte nur wenige Stunden für eine Fahrt gebraucht, die bei der Volljährigkeitsprüfung mit Rico und Saïda so unendlich lang und anstrengend gewesen war.
    Als sie an ihre Sei-Heys dachte – an die, die bereits tot war, und an

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