Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)
des Huang-Clans leid«, sagte er, »wenn ich sehe, mit welchen Dingen sie konfrontiert wird.«
»Räumt die Vorräte ein wie üblich«, wies Suvaïdar die Asix an. »Alles, was nicht wasserdicht verpackt ist, muss auf die Plattform gebracht werden.«
Sie zeigte auf ein Brett, das auf vier großen Stämmen ruhte. Es reichte weit genug über die Stämme hinaus, um zu verhindern, dass auf Bäumen lebende Tiere an die Vorräte heran konnten.
»Entschuldigen Sie, meine Dame, wir sind auch gerade erst von Bord gegangen«, sagte einer der Asix, »und niemand hat uns etwas erklärt.«
»Wieso? Wer war denn vorher hier?«
»Zwei männliche Asix, meine Dame. Sie sind mit der Ärztin fortgegangen.«
Suvaïdar schüttelte aufgebracht den Kopf. Die Jestak, die die Entscheidungen zu treffen hatte, hatte sich nicht gescheut, das Leben ihres Sei-Hey in Gefahr zu bringen, doch sie hatte darangedacht, ihm zwei Frauen als Gespielinnen an die Seite zu stellen, damit er sich nicht zu sehr langweilen würde. So war sie nun einmal.
Die Asix hatten sich darangemacht, die Lebensmittel nach Suvaïdars Angaben zu verstauen. Saïda ging zu den wasserdichten Kisten, um sie in den Schuppen des Gesundheitszentrums zu bringen.
»Wir können das alles auch später machen«, sagte Suvaïdar zu ihm. »Im Moment gibt es Wichtigeres. Du musst die Stämme kennenlernen.«
»Warum so eilig? Ich habe ein Jahr Zeit dafür.«
»Hat dir vor deiner Abreise denn niemand irgendwelche Informationen gegeben?«
»Man hat mir gesagt, ich soll versuchen, die Stämme zahlenmäßig zu erfassen, möglichst mit matriarchalischer Abstammung. Wie es scheint, gibt es keine Gewissheit, was die Väter betrifft. Um ganz sicherzugehen, müssten DNA -Proben genommen und untersucht werden. Außerdem soll ich bei den ersten Analysen der neuen Pflanzen, die Forscher von Zeit zu Zeit entdecken, ein Set benutzen.«
»Bereits bei der Ankunft sollte man sich den Stämmen vorstellen, die auf dem Territorium leben. Vor Jahrhunderten hat man mit ihnen eine Art Pakt geschlossen: Der gesamte Bereich zwischen den Bergen und dem linken Ufer des Corosaï-no-goï gehört ihnen. Sie glauben das Recht zu haben, jeden zu töten, der ihr Land betritt. Deshalb stellen die Forscher, die Jestak des Gesundheitszentrums und die Asix-Hilfskräfte sich bei ihnen vor. Trotzdem kommt es leider hin und wieder zu Zwischenfällen. Kommt!«
Suvaïdar zog es vor, in Anwesenheit der Asix nichts zu sagen, aber sie war schrecklich wütend: Saïda nicht vorgewarnt zu haben, hätte den sicheren Tod für ihn und die Asix bedeutet. Die Vorstellung, freiwillig einen Asix zu opfern, war Suvaïdar völlig neu, und der Gedanke gefiel ihr am allerwenigsten. Aber das war auch nicht verwunderlich. Mittlerweile wusste sie, dass es sich um einen instinktiven Reflex handelte, den sie nicht bezwingen konnte.
Sie bog auf einen kaum sichtbaren Fußpfad ein, überwältigt von der teilweise sehr dichten Vegetation. Sie umging rasch ein Skorophonnest, ein kleines Loch in der Erde, aus dem die schreckliche Schere des Tieres herausragte, doch bei einem zweiten Nest hatte sie weniger Glück: Der Insasse biss in den dicken Stoff ihres Stiefels und fraß sich weiter. Die Asix, die Suvaïdar folgte, musste nicht einmal anhalten, um sich mit einer schnellen Geste nach unten zu beugen, ihr Messer zu zücken und den Skorophon zu köpfen. Stattdessen führte sie das Messer zwischen Stiefel und Schere des Skorophons ein, sodass diese sich löste.
»Was müssen wir tun, wenn wir uns vorstellen?«, wollte Suvaïdar wissen. »Niemand weiß, wo ihre Hütten sind.«
»Vielleicht haben sie gar keine. Sie schlafen meist in den Bäumen. Es gibt da eine Art Lichtung mit einem Gong, da treffen wir uns mit ihnen. Sie wissen sehr genau, wenn jemand auf ihr Gebiet vorgedrungen ist, und werden zweifellos schon da sein. Aber sie werden sich nicht gleich zeigen. Es wird an uns sein, auf sie zu lauern – wie lange, kann ich nicht sagen. Dann werden sie mit einem Satz aus ihren Verstecken hervorspringen, um uns zu erschrecken. Es ist wichtig, dass wir uns nicht rühren, und auf keinen Fall dürfen wir ihnen gegenüber Angst zeigen. Sollte jemand aufstehen und den Versuch machen, davonzulaufen, könnte er sich mit einer Lanze im Rücken wiederfinden. Selbst wenn sie nur so tun, als wollten sie uns angreifen, müssen wir völlig unbeweglich bleiben.«
Der Baum mitten auf der Lichtung war ein Waldriese, und er stand so merkwürdig allein da, dass
Weitere Kostenlose Bücher