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Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)

Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)

Titel: Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adriana Lorusso
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er ein ganz bestimmtes Augenpaar. Suvaïdar schwante, zu wem es gehören könnte. Und als der Blick ihres Bruders auf ihr angeschwollenes Gesicht traf, ohne dass er sie auf Anhieb erkannte, musste selbst sie lächeln. Dann aber stieß er hervor: »O Hedaï! Was ist ...«
    Beinahe hätte Oda sie in aller Öffentlichkeit kompromittiert und danach gefragt, was passiert sei, doch er hielt gerade noch rechtzeitig inne. Dann ging er auf sie zu und befahl: »Räumt den Platz, Asix!«
    Die beiden sprangen sofort auf, um ihn respektvoll zu grüßen und die Plätze neben Suvaïdar frei zu machen. Diese wiederum rächte sich, indem sie an ihrer Tasse Tee und ihrem Stück Honigbrot dreimal so lange trank und aß, wie es nötig gewesen wäre. Dabei schaute sie Oda die ganze Zeit von unten an. Der wiederum – darauf wartend, dass sie endlich allein waren – setzte sich und legte ein Knie auf das andere.
    »Ich möchte dich allein sprechen«, sagte er, als ihm allmählich der Geduldsfaden riss.
    »Ich habe jetzt keine Zeit. Heute Abend in deinem Zimmer?«
    »Einverstanden«, antwortete er bereits versöhnt, da er wusste, wie so eine Einladung gewöhnlich endete. »In meinem Zimmer nach dem Abendessen.«
    Suvaïdar zog sich in aller Eile um, wusch ihre Hose und hängte sie zum Trocknen auf, denn sie war voller Blut gewesen und nach der Dusche, die Edgar ihr verpasst hatte, völlig zerknautscht. Es gelang ihr, mit nur ein paar Minuten Verspätung das Hospital zu erreichen. Trotzdem musste sie sich eine spitze Bemerkung von Marias Assistentin, Silma Jestak, anhören.
    Der Vormittag verging mit normalen Arbeiten in der Chirurgie. Anschließend ging Suvaïdar ins Labor für Genetik, um ihren neuen Posten anzutreten. Yoriko Sobieski wusste bereits Bescheid und erwartete sie. Sie war eine der wenigen Ärztinnen aus einem anderen Clan. Suvaïdar war froh, mit einer Frau arbeiten zu können, die keine Jestak war.
    Yoriko war eine Frau mittleren Alters und von unscheinbarem Aussehen. Sie tat so, als würde sie den Zustand des Gesichts und die Steifheit der Bewegungen ihrer neuen Assistentin nicht bemerken. Rasch zeigte sie ihr die Labore, die sowohl Comp-Systeme als auch Reagenzgläser enthielten. In einem kleinen Zimmer thronte eine künstliche Intelligenz neueren Datums; sie erinnerte Suvaïdar an das, was sie auf Wahie besessen hatte. Der einzige Unterschied bestand darin, dass das Bild kein stupides, buntes »überflüssiges Zeug« zeigte wie den türkisen Adler, den Revann für sie programmiert hatte, sondern einen Shiro mit ernstem Gesichtsausdruck.
    »Bevor du anfängst, sieh dir das hier an«, schlug Yoriko ihr vor. Sie trug ein gutes Dutzend Holo-Cubes und Videobänder auf dem Arm. »Schaue sie schnell durch, um dein Gedächtnis aufzufrischen. Man wird dich sicher nicht damit beauftragen, eine DNA -Sequenz durchzuführen, denn für die Untersuchungen, die wir hier machen, wurde diese Arbeit bereits vor Jahrhunderten getan.«
    Suvaïdar verbrachte den Nachmittag und die ersten Abendstunden in einem dunklen Zimmer. Sie scrollte die Bilder schnell durch und überprüfte ihr Grundwissen in der Genetik, ein Fach, mit dem sie sich an der Universität ohne große Begeisterung beschäftigt hatte. Das meiste hatte sie in der Zwischenzeit vergessen. Sie schlug sich mit den vierunddreißig identifiziertenmenschlichen Genen herum und fragte sich dabei, warum Maria ihr vorgeschlagen hatte, an den Forschungen teilzunehmen – ausgerechnet sie, die in der Genetik genauso unwissend war wie eine junge Studentin. Was erwartete man von ihr?
    Ihre Augen brannten vor Müdigkeit, als sie endlich zu Hause ankam. Ohne sich zu waschen oder etwas zu essen, legte sie sich auf ihre Matte und vergaß völlig, dass sie sich mit ihrem Bruder verabredet hatte. Nach sechs Stunden Schlaf – ein Luxus – erwachte sie in guter Verfassung. Selbst Oda schaffte es nicht, ihr die gute Laune zu vergällen, als er sich schweigend neben sie an den Frühstückstisch setzte. Man sah ihm an, dass er sich zusammenriss, um nicht zu sagen, was er dachte. Er befürchtete wohl, eine Dummheit zu begehen, die nicht mehr gutzumachen war.
    »Ich bin gestern Abend sofort eingeschlafen, kaum dass ich hier angekommen bin«, sagte Suvaïdar. »Und ich bin erst heute Morgen wieder aufgewacht. Ich war völlig am Ende. Ich hoffe, du hast nicht zu lange auf mich gewartet.«
    »Man sagt, dass deine Tage sehr ausgefüllt sind. Du hast dich duelliert. Und spare dir die Mühe, mich vom

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