Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)
muss wissen, dass ihre zweitliebste Beschäftigung nach der Jagd darin besteht, die Frauen der anderen Stämme zu rauben.«
»Ich frage mich ernsthaft, ob es nicht besser wäre, sie auszurotten, statt sie zu behandeln. Das sind keine menschlichen Wesen.«
»Sie sind selbst dabei, sich zu vernichten. Der Wilde, mit dem ich gesprochen habe, sagte mir, dass sein ganzer Stamm aus fünf Männern bestehe – Frauen und Kinder zählen für sie nicht. Als ich im Gesundheitszentrum gearbeitet habe, gab es noch rund zwanzig Männer. Du hast recht, wenn du sagst, dass sie keine Menschen sind, aber sie sind das, was wir aus ihnen gemacht haben. Sie und die Asix sind das Werk der ersten Jestak. Einige könnten behaupten, dass auch die Asix keine Menschen seien.«
»Das ist lächerlich, das kann man nicht vergleichen. Aber du hast offenbar über diese Frage nachgedacht. Weißt du, was der Schlüsselreiz ist, der das Verhalten anderen gegenüber bestimmt?«
»Sicher, ehrwürdige Frau Doktor. Es ist der Geruch. Wir nehmen einen starken, angenehmen Geruch wahr, wenn wir uns den Asix nähern, und umgekehrt. Ich nehme an, dass es sich um reizauslösende Pheromone handelt, die die Hemmschwelle senken.«
Maria pflichtete zufrieden bei. »Genau. Und ich habe mich gefragt, ob es nicht gerade diese Pheromone sind, die als äußerer Stimulus bewirken, dass die Empfindung für Scham unterdrückt wird. Ich wusste von Anfang an, dass du für diese Arbeit geeignet bist. Als ich die Pheromone untersucht habe, brauchte ich beinahe eine Woche, um das Ganze zu verstehen. Du aber hast lange auf einem anderen Planeten gelebt. Das verschafft dir die Möglichkeit, eine objektivere Sicht auf die Dinge zu haben und dirüber vieles Klarheit zu verschaffen, was andere übersehen, weil es für sie auf der Hand liegt.«
Dass ich in der Außenwelt gelebt habe, ist nicht der Grund, dachte Suvaïdar. Der Grund ist vielmehr, dass ich sehr viel Zeit mit Asix verbringe.
Sie fragte sich, ob auch die kalte, spröde Maria hin und wieder Lust verspürte, einem männlichen Asix in den provisorischen Hütten einen Besuch abzustatten. Das schien nicht wirklich ihre Sache zu sein.
»Es handelt sich tatsächlich um Pheromone, zum Beispiel von den Bienen«, fuhr die ehrwürdige Frau Doktor fort. »Sie werden von den Drüsen abgesondert und von den Hautporen freigesetzt. Man nimmt sie wahr, ohne dass sie vom rationalen Teil des Gehirns weitergemeldet werden. Und nur wenn man spezifische Rezeptoren besitzt, kann man sie erfassen. Deshalb kannst du deinen eigenen Geruch nicht wahrnehmen. Auch die Asix vermögen das nicht.«
»Ich habe bereits reichlich Material, um es zu prüfen, doch es gibt da eine Hypothese, die ich gerne verifizieren würde, wenn du einverstanden bist.«
»Worum handelt es sich?«
»Ich habe die letzte Nacht mit einem jungen Asix verbracht, der von einem Bauernhof kommt, auf dem kein Shiro tätig ist. Ich habe den Eindruck, dass er darunter leidet – so sehr, dass er zu mir gekommen ist, ohne dass ich ihn eingeladen hatte. Das hat mich nachdenklich gemacht. In den Jahren, die ich in der Außenwelt gelebt habe, waren die einzigen, die mir gefehlt haben, die Asix. Als dann die Nachricht des Rates kam, hatte ich anfangs nicht die Absicht, nach Ta-Shima zurückzukehren. Trotzdem habe ich mich dabei ertappt, dass ich mich in Richtung Astroport bewegt habe, als hätte ich keinen eigenen Willen mehr. Ich frage mich, ob die Anwesenheit des Asix, der uns begleitet hat, mich unterschwellig beeinflusst hat, ohne dass es mir bewusst gewesen ist.«
Maria schwieg, schaute sie nur aufmerksam an.
»Und es gibt noch ein weiteres Detail«, fuhr Suvaïdar dort. »An Bord des Raumschiffes, das uns hierherbrachte, haben uns jeneBesatzungsmitglieder, die Ta-Shima vor einigen Wochen verlassen hatten, in den ersten Tagen regelmäßig besucht. Ohne einen Grund zu nennen oder einen Vorwand vorzutäuschen, kamen sie vorbei, ohne etwas zu sagen. Meist haben sie nur eine Tasse Tee getrunken. Man hat uns gesagt, dass sie einfach nur das physische Bedürfnis hätten, mit uns Shiro zusammen zu sein. Ich würde dieser Frage gern nachgehen, wenn du es für wichtig genug erachtest und wenn nicht schon ein anderer diese Fragestellung erforscht.«
Maria schüttelte den Kopf. »Das könnte eine sehr interessante Hypothese sein, aber wie willst du an die Frage herangehen? Wir können nicht für einige Monate eine Gruppe von Asix isolieren, um zu beobachten, was passiert.«
»Das
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