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Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)

Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)

Titel: Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adriana Lorusso
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Trage. Suvaïdar sah, wie die eine – Ina war ihr Name – leise weinte. Nachdem sie sicher war, dass Rovin sie nicht sehen konnte, legte sie den Arm um Ina und flüsterte ihr zu, dass jetzt alles vorbei sei. Sie würden jetzt nach Gaia zurückkehren und sie, Ina, müsse nie wieder einen Fuß in das zweite Gesundheitszentrum setzen.
    »Ich weine nicht deshalb, meine Dame«, flüsterte die junge Frau, »ich weine um Reomer Adaï. Er hat immer gelächelt und war so freundlich. Selbst als ich schwanger geworden war, hat er weiter mit mir die Matte geteilt. Und er hat mir versprochen, dass er seinen Sohn besuchen kommt, wenn wir nach Gaia zurückgekehrt seien. Außerdem wollte er mir seine beiden Shiro-Töchter vorstellen.«
    Suvaïdar legte ihr die Hand auf den Kopf, ohne ein Wort zu sagen. Sie beneidete Ina um ihr Recht, weinen zu dürfen. Sie selbst versteckte ihre Emotionen hinter ihrer glatten Stirn und ihrem beherrschten Gesichtsausdruck, obwohl in ihrem Innern ein Orkan der Gefühle tobte.
    Als sie den Wilden nach dem Grund für das Gemetzel gefragt hatte, hatte er geantwortet, dass es notwendig gewesen sei, weil Saïda sie, »Frau Medikament«, die der Mondgöttin geweiht sei, beleidigt habe.
    »Aber auf welche Weise?«, hatte Suvaïdar ihn verdutzt gefragt.
    Die Antwort des Mannes war konfus, aber letztlich hatte Suvaïdar ihn verstanden. Die Wilden hatte der abrupte Wechsel einer uralten Tradition – statt einer Frau war ein Mann zu ihnen gekommen – so sehr beunruhigt, dass sie eines Nachts zum Gesundheitszentrum gelaufen waren. Dort hatten sie Saïda und Suvaïdar zusammen auf der Matte liegend beobachtet. Sicher gab es in ihrer Sprache nicht den Begriff des »Sakrilegs«, wie es ihn auch nicht in der Gorinsprache gab, doch allem Anschein nach hatten sie ein solches gedankliches Konzept entwickelt, denn sie hatten geschworen, den Mann zu töten. Das war Saïdas Todesurteil gewesen.
    Vielleicht sind diese Wilden weniger primitiv, als die Jestaks denken, gestand sich Suvaïdar verbittert ein, den Kopf gegen die Trennwand des Moduls gelegt und mit geschlossenen Augen. Sie suchte den Halt durch die Nähe und Wärme der Asix.
    Und ich habe mich für so klug gehalten, ging es ihr durch den Kopf, mit meiner glorreichen Idee, meinem Sei-Hey unter den Augen des Clans, des Lebenshauses und aller anderen zu Hilfe zu eilen. Stattdessen habe ich ihn in den Tod geschickt.
    Verzweiflung überschwemmte sie wie das große Hochwasser der drei Monde. Das war noch schlimmer als der Verlust von Saïda, es war der blanke Horror. Während der gesamten Reise hörte sie nicht damit auf, sich wegen der Ereignisse anzuklagen. Sie war kurz davor, alles zuzugeben, um bestraft zu werden und sich dann womöglich weniger schuldig zu fühlen.
    Doch sie überlegte es sich ganz schnell anders, als sie den Schatten eines zufriedenen Lächelns auf den Lippen von Maria Jestak sah. Diese hatte Suvaïdar gerufen, um ihren Bericht zu hören.
    Suvaïdar begnügte sich damit, nur das Notwendigste zu sagen. Mit kurzen, spröden Sätzen berichtete sie über die beiden jungen Asix-Frauen, die noch unter Beobachtung stünden, weil sie einen Schock erlitten hätten.
    »Wie konnte es geschehen, dass die Wilden sie nicht getötet haben? Ich verstehe nicht, wie die beiden es geschafft haben, sich den Respekt der Angreifer zu verschaffen, ganz ohne Waffen, nur mit ein paar Dosen mit eingelegten Lebensmitteln?«
    »Sie sind jung, und körperlich ähneln sie ihnen. Ich glaube nicht, dass sie die Absicht hegten, sie sofort zu töten, Maria Adaï. Sie hätten doch gar keine Chance gehabt, denn ein Stoß mit der Lanze in den Rücken, und sie wären tot gewesen. Meiner Meinung nach wollten sie die beiden jungen Frauen gefangen nehmen. Die Wilden hätten sie womöglich vergewaltigt, bevor sie sie umgebracht hätten, um sie dann zu verspeisen. Doch viel wahrscheinlicher ist, dass sie die beiden zu den anderen Frauen ihres Stammes gebracht hätten, um ihnen ein Kind nach dem anderen zu machen. Nach einem Dutzend Schwangerschaften wären die beiden dann vor Erschöpfung gestorben.Sie betrachten solche Gefangenen als Vieh und behandeln sie nicht besser als Kühe und Ziegen. Um sicherzugehen, dass sie ihnen nicht entwischen, verstümmeln sie sie. Wenn ich recht verstanden habe, schneidet man ihnen die Sehne eines Fußes heraus.«
    »Auch den Frauen aus ihrem eigenen Clan? Das ist widerlich.«
    »Vielleicht tun sie das nur bei den Frauen, die sie gefangen nehmen. Man

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