Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)
warum musste er ausgerechnet sie, Suvaïdar, fragen?
»Sie hat einen Befehl missachtet und das Überleben ihres Clans gefährdet, weil sie versucht hat, den Außenweltlern die Lebensmittel zu verkaufen, die sie zum Überstehen der Trockenzeit gebraucht hätten«, sagte Suvaïdar. »Wie stellst du dir das mit der Strafreduzierung vor?«
»Es ist übertrieben zu sagen, dass sie ihren Clan in Gefahr gebracht hätte, meine Dame. Wir haben Vorräte für hundertzwanzig Tage, und so lange dauert der Sommer nie.«
» Fast nie, Shiro Adaï, da muss ich dir leider widersprechen. Das ist keine Beleidigung, bitte glaub mir, aber ich war dabei, als deine Schwester verurteilt wurde. Und Tsune Sadaï hat in den Archiven Nachforschungen angestellt. Es kommt sehr selten vor, dass die Ostwinde unpünktlich sind, doch im Verlauf unserer Geschichte haben sie sich achtzehn Mal ein wenig verspätet, und dreimal kamen sie sehr viel später, sodass es zu wenig Nahrung gegeben hat, um alle satt zu bekommen. Was übrig war, bekamen die Jungen. Die Alten wählten das Shiro-Privileg, ohne dass man sie nach ihrer Meinung gefragt hätte. Das betraf übrigens nur die Shiro.«
»Man hat ihr zur Strafe die Leitung des Clans entzogen, unddas war richtig, aber die Arbeit in den Minen! Und dann so viele Jahre! Als hätte sie ein Blutverbrechen begangen!«
»Und was sagst du zu dem Mord an Haridar, Micha’l und Sorivas Huang, meine Brüder von derselben Mutter? Zählen sie etwa nicht?«, zischte Suvaïdar, empört über die Unverschämtheit des jungen Mannes.
Evin Bur war verblüfft. »Ich habe gehört, das ein Shiro in ihren Tod verwickelt war und auch in die Jagd, die die Sitabeh auf ihrem Planeten auf dich gemacht haben, aber ich kann dir versichern, dass Eronoda nicht daran beteiligt war – und auch kein anderes Mitglied unseres Clans.«
Suvaïdar blickte ihn an, wie vor den Kopf geschlagen. Ihre erste, selbstmörderische Reaktion war, ihn der Lüge zu bezichtigen. Doch es gelang ihr, sich zusammenzureißen und nachzudenken, die Lippen aufeinandergepresst. Wenn es wahr wäre, was dieser junge Mann sagte ... Darüber hinaus schien er von der Anklage ehrlich überrascht zu sein. Wenn er und seine Schwester das Geld der Sitabeh angenommen hätten, um sie, Oda, Wang und Sorivas zu verraten, hätte er sich mit seiner Bitte bestimmt nicht an sie, Suvaïdar, gewandt.
»Ich erlaube mir nicht, dein Wort in Zweifel zu ziehen, Herr Shiro«, antwortete sie schließlich besonnen, »aber wenn du selbst nicht beteiligt warst, wie kannst du dann für diejenigen dein Wort geben, die damals deinen Clan angeführt haben?«
»Als uns die Nachricht erreichte, waren wir zusammen – Eronoda, Salman, der vor ein paar Monaten im Duell sein Leben ließ, und ich. Wir waren immer zusammen, schon seit wir klein waren. Man hat uns bei derselben Pflegemutter aufwachsen lassen, und wir waren auch bei der Volljährigkeitsprüfung in einer Gruppe.«
Er sprach mit ausdrucksloser Stimme, doch Suvaïdar glaubte, in seinen Worten ein Echo ihres eigenen Schmerzes über den Tod Saïdas zu hören, und fühlte sich ihm gegenüber besser.
»Wir haben uns gefragt, wer die beiden jungen Huangs waren, die sich bei der Sadaï befanden. Ein paar Tage später hat mir ein Asix-Mädchen aus dem Huang-Clan, mit dem ich die Nacht verbrachte, gesagt, dass es die beiden Söhne Haridars gewesen seien.Ich weiß, du bist überzeugt, dass jemand eure Namen den Außenweltlern gegeben hat, um ihnen zu helfen, euch zu finden, doch ich kann dir garantieren: Wenn das jemand getan hat, war es ein anderer. Wir waren nicht einmal auf dem Laufenden.«
Als er sah, dass seine Gesprächspartnerin erschüttert war, nutzte er seinen Vorteil, um nachzuhaken: »Weshalb auch hätte sie das tun sollen? Für Geld vielleicht? Aber wie könnten die Fremden auf die Idee gekommen sein, uns Geld zu geben, damit wir euch suchen, wo sie doch nichts von eurer Existenz wussten? Und dass sie vorhatten, Haridar zu eliminieren, lässt sich vielleicht noch nachvollziehen – aber welches Interesse sollen sie an euch gehabt haben? Auf jeden Fall will ich noch einmal ausdrücklich sagen: Ich habe oft mit der O Hedaï gesprochen, und sie hätte mich niemals angelogen. Ich wiederhole: Wenn ein Ta-Shimoda mit den Sitabeh Geschäfte gemacht hat, ohne dass es dabei um Daïbanfasern oder Lebensmittel ging, war es niemand aus dem Bur-Clan.«
»Bist du dir auch bei Salman sicher?«
»Ganz eindeutig«, antwortete der junge Mann und
Weitere Kostenlose Bücher