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Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)

Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)

Titel: Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adriana Lorusso
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nicht einmal abzuwehren versuchte. Blut lief ihm über die Lippen und färbte seine Zähne rot.
    »Dol!« Ohne sich dessen bewusst zu sein, nannte Lara sie zum ersten Mal beim Namen, statt sie mit »Mama Dol« oder »Pflegemutter« anzureden, wie sie es normalerweise tat. »Hast du den Verstand verloren? Warum behandelst du Tarr so grob?«
    »Du solltest mit einem Shiro-Herrn gehen, stattdessen verbringst du die Nacht mit diesem Tier!«
    »Tier? Aber er ist mein Bruder Tarr! Dein Sohn! Und was spielt es überhaupt für eine Rolle, ob Asix oder Shiro? Es ist das Fest der drei Monde, und die Mädchen bitten den Jungen zu sich, den sie mögen. Und ich habe Tarr gewählt.«
    »Aber du bist eine Shiro-Dame! Du hättest einen jungen Jestak, einen Sobieski oder einen Valdez wählen müssen!,«, jammerte Dol.
    »Jetzt reicht’s!« Diesmal war Laras Stimme scharf wie ein Messer, und sie richtete sich zu voller Größe auf (sie war bereits einen Kopf größer als Tarr und Dol). »Tarr hat nur getan, worum ich ihn gebeten habe. Und du hast gar nichts zu sagen!«
    Ohne sich dessen bewusst zu sein, war Lara zum ersten Mal im Leben vom Scheitel bis zur Sohle eine Shiro – arrogant und davon überzeugt, dass ihre Worte Gesetz seien. Die Wirkung ließ nicht lange auf sich warten: Dol trat einen Schritt zurück, senkte den Kopf und sagte leise:
    »Ja, Shiro Adaï.«
    Lara war verwirrt. Die Nacht war schön, aber ermüdend gewesen. Sie war erschöpft und hatte nur noch den Wunsch, sich ein wenig frisch zu machen und dann zu schlafen. Warum mischte Dol sich ein? Weshalb hatte sie einen solchen Zorn auf Tarr? Außerdem war es lächerlich, sie »Shiro Adaï« statt wie gewöhnlich »meine Kleine« zu nennen. Schließlich trug Lara ihr Haar immer noch lang.
    »Nun, die Shiro Adaï ist müde und legt sich schlafen«, verkündete Lara. »Und Tarr schläft bei mir.«
    Dol zuckte zusammen, sagte aber nichts.
    Lara verzichtete aufs Waschen und ging in ihr Zimmer, ohne sich umzudrehen und sich zu vergewissern, ob Tarr ihr folgte. Sie zog sich aus und legte sich auf ihrer Matte. Noch immer verwirrt und ein bisschen wütend auf Dol, vergrub sie den Kopf unter dem Betttuch.
    Eine Zeitlang hörte sie noch Dols Geschimpfe; dann ging die Tür auf, und Tarr legte sich neben sie. Er verbreitete einen kräftigen Duft nach Moschus, der aber nicht so ausgeprägt war, dass er den natürlichen Duft seiner Asix-Haut überdeckte.
    Seltsam, ich habe nie bemerkt, wie angenehm dieser Duft nach Zimt ist, dachte Lara, bevor sie in tiefen Schlaf fiel.

4
Außenwelt
    Professor Li Hao
blickte auf das grüne Licht des Holo-Schreibers.
    »Seit den dunklen Jahrhunderten«, dozierte er, »hat das menschliche Universum einen schleichenden Prozess der Befriedung erlebt, dessen Vorteile jeden Tag unseres Lebens beeinflussen. Für diesen Frieden sind wir der Föderation, die den Kriegen mit der Union ein Ende gesetzt hat, zu großem Dank verpflichtet. Doch was wir heute als Krieg bezeichnen, waren damals lediglich geografisch begrenzte Unruhen, die von der Astroflotte binnen weniger Tage erstickt wurden. Doch der Prozess der Befriedung war für die Anthropologie ein Desaster. Unsere Welten haben eine Vielzahl ihrer spezifischen Besonderheiten verloren. Ein Bewohner von Atarashii Sendaï ernährt sich anders und hat nicht dieselben familiären Traditionen wie ein Bewohner von Oderissan oder von Neudachren, aber im Grunde stützen sich unsere Gesellschaften auf ein und dieselben Prinzipien, haben dieselbe Religion und folgen mehr oder weniger denselben ethischen Grundsätzen und Modellen bürgerlichen Lebens, sieht man Splittergruppen ab, die allen möglichen Sekten und Ideologien anhängen können.
    »Nach außen hin könnte man glauben, dass die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Planeten riesig sind, aber es handelt sich nur um oberflächliche Differenzen. Das wird deutlich, wenn man einige Gesellschaften aus der Ära der dunklen Jahrhunderte oder selbst die aus dem Zeitalter vor Beginn der Raumfahrt miteinander vergleicht. Unsere heutigen Welten haben einen gemeinsamen Nenner. Wegen dieser relativen Übereinstimmung habe ich mich entschieden, den Anthropologiekurs dieses Jahres dem Vergleich zweier Planeten zu widmen, die heute nicht mehr existieren, weil sie im Krieg zerstört wurden: Landsend, die moralistische Theokratie, und Orivaï, die Welt der Freiheit und Hemmungslosigkeit. Es ist nicht meine Absicht, Werturteile zu formulieren, ich möchte diese beiden heute

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