Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)
aber gab es nicht viele. Interessant war vor allem ein Nachschlagewerk – kurz, präzise und wissenschaftlich unangreifbar – von der Ärztin Davi, die persönlich mit der ersten Expedition auf den Planeten gekommen war. Allerdings war die Ärztin keine Anthropologin, sie war die Exobiologin der Expedition.
Selbstverständlich hatte Li Hao schon davon gehört, aber nun zeigte er ein sehr viel größeres Interesse. Nachdem er eine Kopie heruntergeladen hatte, vertiefte er sich in die Lektüre.
Die Ta-Shimoda – das zeigte das Werk der Ärztin Davi – hatten eine knapp vierhundert Quadratmeter lange Halbinsel terraformiert. Sie hatten drei Städte angelegt und eine komplexe und streng reglementierte Gesellschaft begründet, in der zwei ethnisch unterschiedliche Gruppen, die sich auch körperlich unterschieden, friedlich zusammenlebten. Die zahlenmäßig unterlegene Gruppe beherrschte die andere. Sie sprachen zwei verschiedene Sprachen, sodass es der Autorin, die nur einige Monate auf Ta-Shima geblieben war, leider nicht gelungen war, ein Glossar zusammenzustellen.
Li Hao überflog auch die Berichte des Raumfahrtministeriums, die Korrespondenz eines Handelsunternehmens und die Notizen der Überlebenden der ersten Expedition, die zwanzig Standardjahre zuvor den Fuß auf den Planeten gesetzt und vier Monate geblieben waren, bevor sie von einer unbekannten Krankheit dahingerafft wurden. Man hatte das Fieber »Gaia« getauft, nach der Hauptstadt von Ta-Shima. Dort hielten sich auch die Teilnehmer der Expedition auf, als die Epidemie ihren Anfang nahm. Die sieben Überlebenden hatten berichtet, dass die Krankheit sich rasend schnell verbreitete und dass alle, die damit in Berührung kamen, innerhalb von Tagen dahingerafft wurden.
Das Fieber von Gaia musste überaus schrecklich gewesen sein: Jahrelang gab es keine weitere Dokumentation, als hätte sich der Planet in Quarantäne befunden. Außerdem hatte er kein nennenswertes Handelsaufkommen, denn er lag an keiner wichtigen strategischen Route und besaß keinerlei Perspektiven für eine Massenansiedlung.
Alle, die diesen Planeten besucht hatten, waren sich darin einig, dass er trostlos war und dass dort ein höllisches Klima herrschte: sehr heiß und feucht in zwölf Standardmonaten, und ebenso heiß, aber trocken in den folgenden vier Monaten. Vor allem Letztere erwiesen sich als sehr unangenehm, da die Sonnenstrahlen für Mensch und Tier gleichermaßen gefährlich waren. Man musste sich permanent vor der Strahlung schützen.
Eines Tages jedoch drehte der Wind nach Neudachren.
Die Gruppe der Unitarier, die dort an der Macht waren, hatte eine zweite Expedition entsandt, die um die Erlaubnis bat – oder vielmehr forderte –, ein Forschungszentrum und einen Astroport bauen zu dürfen, glaubte man dem ausladenden und langweiligen Bericht des Kommandanten. Das Zentrum und der Astroport sollten in einem Gebiet entstehen, das ursprünglich so lange isoliert bleiben sollte, bis die Gründe für die Erkrankung identifiziert und Heilmittel gefunden seien.
Die Ta-Shimoda lehnten zuerst ab, aber der Repräsentant der Föderation, Oberst Schreiber, erwies sich – so die offizielle Version – als »überaus charakterfest«. (Für sich übersetzte der Professor »auf schändliche Weise despotisch«.) Die Erlaubnis wurde erteilt, und der Astroport und die kleine, an der Peripherie gebaute Stadt erhielten zur Erinnerung an den Mann, der die Konzession erhalten hatte, den Namen Schreiberstadt. Doch trotz seiner Standfestigkeit konnte auch der Oberst sich nicht vor der Ansteckung schützen.
Der Cube war ebenfalls mit einer interaktiven geografischen Karte ausgestattet. Li Hao musste zugeben, dass die Lage von Schreiberstadt auf der Halbinsel strategisch sehr gut war. Die Halbinsel verwandelte sich allerdings aufgrund der vorherrschenden Gezeitenkräfte – hervorgerufen durch die Konjunktion der vier Monde des Planeten – mehrmals im Monat in eine Insel. Bei Ebbe war diese Insel mit dem Rest des bewohnbaren Gebietes von Ta-Shima über eine gerade einmal hundert Meter lange Landbrücke aus Sand verbunden, bei Flut nur über eine schmale Brücke mit einer Treppe an jedem Ende.
Die Föderation hatte ihren Astroport gebaut und in Schreiberstadt eine Botschaft eröffnet. Der Botschafter, ein gewisser Arifin Coont, hatte eine Serie von fehlerlosen Berichten geschickt, die aber derart lang und detailliert waren, dass Li Hao davon ausging, dass niemand sie je bis zu Ende gelesen
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