Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)
wollte sie nicht verärgern. Deshalb schickte sie ihnen gar nicht erst Botschaften aus der Außenwelt.
An Bord waren auch einige Mitglieder des Bur-Clans. Sie hatten schon kurz nach dem Tod der alten Matriarchin Bur to Sevastak darum gebeten, an Bord gehen zu dürfen. Im Gegensatz zur herkömmlichen Tradition, nach der die Macht wenn schon nicht an eine alte, so doch zumindest an eine reife Frau weitergereicht werden sollte, hatte man stattdessen eine ihre Töchter, Eronoda, zur Nachfolgerin bestimmt, die noch ein junges Mädchen war. Aus irgendeinem Grund erwähnten die Asix des Bur-Clans dies nicht gern, doch ihr Schweigen war beredt: Sie maßten es sich nicht an, in der Öffentlichkeit eine Shiro zu kritisieren, und schon gar nicht eine Saz Adaï. Und auch wenn die Ernennung Eronodas am Ende einer außerordentlich langen Ratsversammlung desClans ausgesprochen worden war, entsprach sie doch nicht den Traditionen.
Überhaupt war der Bur-Clan nicht gerade dafür bekannt, dass er sich den Traditionen gegenüber verpflichtet fühlte, ganz im Gegenteil: Man handelte gern gegen die Norm. Der Clan war reich und sein Entschluss, sich auf den Handel mit Fremden zu konzentrieren, trug zusätzlich reiche Früchte. Ta-Shima benötigte dringend Präzisionsgeräte und elektronische Bauteile, die in den anderen Welten serienmäßig produziert wurden. Die Bur besorgten dies alles und erhielten dafür Gewürze, die von Dschungelpflanzen stammten und deren Anbau und klimatische Anpassung andernorts sehr kostspielig gewesen wäre. Darüber hinaus erhielten sie Daïbanfasern.
Aus diesem Grund genoss der Clan, der bis vor Kurzem noch relativ klein gewesen war, hohe Achtung. Seine Mitglieder, die sich auch für niedere Arbeiten, die andere ablehnten, nicht zu schade waren, waren nun reich und angesehen.
Trotz allem hatten einige Clanmitglieder Dinge gehört, die ihnen ganz und gar missfielen. Die Menge der Informationen, die sie zusammentrugen, indem sie hier und da umherschlenderten oder sich die Nacht mit geschwätzigen Shiro um die Ohren schlugen, war schier unglaublich. Durch einen Loyalitätskonflikt belastet, hatten sie darum gebeten, an Bord der Hansa 27 gehen zu dürfen, für einen anderen Clan arbeiten zu können oder sogar den Clan zu wechseln. Für so etwas gab es keinen Präzedenzfall.
Nicht, dass sie den von Händlern in Niasau eingeführten Neuerungen gegenüber gleichgültig gewesen wären: Apparate, die Mahlzeiten kochten, ohne dafür ein Feuer anzuzünden; miniaturisierte Fernkommunikatoren und nicht zu vergessen den Holovid, den eine junge Asix verwirrt als »Kasten« bezeichnete, »der Geschichten sichtbar macht, selbst wenn sie gar nicht passiert sind« – dies alles fanden sie großartig. Im Allgemeinen jedoch waren sie misstrauisch gegenüber allem Unbekannten. Bevor sie sich etwas zulegten, das ihre Lebensweise auch nur minimal änderte, fragten sie für gewöhnlich einen Shiro um Rat. Traditionalisten, die Shiro nun einmal waren, rieten jedes Mal von derAnschaffung ab – vor allem aus ganz praktischen Gründen: Das bisschen Energie, das auf dem Planeten durch Elektrizitätswerke, Sonnenkollektoren und Windräder erzeugt wurde, durfte nicht verschwendet werden. Die geringe Energieausbeute des Planeten war vorrangig für die Lebenshäuser, für Pumpen und für die Transporte zwischen den drei Städten bestimmt.
Durch die Gespräche mit den Asix wurde Suvaïdar klar, dass sich in der Zeit ihrer Abwesenheit die Kluft zwischen der Mentalität ihrer Landsleute und der föderierten Bürger kein bisschen geschlossen hatte. Nach wie vor gab es zahlreiche Missverständnisse.
Botschafter Coont, ein außergewöhnlicher Diplomat, hatte sein Bestes gegeben, um den Kulturschock abzumildern. Er hatte sich – so wie Suvaïdar, nachdem sie sich auf einer der Föderierten Welten niedergelassen hatte – dem Lebensstil Ta-Shimas angepasst und sich damit abgefunden, auf gewisse Annehmlichkeiten verzichten zu müssen, die zuvor selbstverständlich für ihn gewesen waren.
Der neue Botschafter jedoch schien anders zu sein, und die Asix beobachteten ihn mit einem gewissen Argwohn. Er wurde von einer Militärbrigade begleitet, die aus fünfundzwanzig Soldaten und einem Kommandanten im Rang eines Kapitäns bestand. Jeder von ihnen fiel durch arrogantes Verhalten auf. Darüber hinaus hatte Oberts Rasser darum gebeten, dass ihm die Mahlzeiten in der Kabine serviert würden. Ein Shiro würde so etwas niemals tun. Eine solche
Weitere Kostenlose Bücher