Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)
deine Wunde gekümmert?«, fragte sie ihn.
»Ja«, erwiderte er, immer noch die Tasse in der Hand. »Möchtest du es überprüfen?«, fügte er hinzu und hob den Fuß.
»Nein. Ich bin sicher, du hast das Nötige getan. Morgen, nachdem ich geschlafen habe, lege ich dir einen neuen Verband an.«
Suvaïdar trank mit Wonne die heiße, süße Flüssigkeit und fühlte sich danach ein bisschen besser.
»Soll ich die Hängematte herrichten?«, fragte Win.
»Ja, gern. Danke. Und jetzt möchte ich schlafen. Das solltest du auch tun.«
Wins rundes Gesicht hellte sich auf. Suvaïdar biss sich auf die Zunge. Der Asix hatte ihren Satz so verstanden, als hätte sie ihn eingeladen, die Hängematte mit ihr zu teilen. Wenn sie das Gesagte jetzt zurücknahm, wäre er tödlich verletzt. Aber sie war todmüde!
Sie beobachtete Win insgeheim und gelangte zu der Ansicht, dass sie sooo müde nun auch wieder nicht war. Auf Wahie hatte sie ein Jahr gezögert, bevor sie sich in sexuelle Abenteuer stürzte. Dabei hatte sie schnell erkennen müssen, dass die Vorstellungen von Sex auf Wahie erheblich von denen auf Ta-Shima abwichen. Nach einigen unangenehmen Erfahrungen hatte sie es schließlich vorgezogen, allein zu bleiben.
Win befestigte die Hängematte an zwei Haken und öffnete sie. Suvaïdar stand auf, um ihm zu helfen.
»Lass mich das machen«, sagte Win, »du bist müde.«
»Du nicht? Du bist genauso viel gelaufen wie ich.«
»Ich bin ein Asix. Ich werde nicht so schnell müde.«
Suvaïdar wusste, das war nur eine unschuldige kleine Angeberei, weil Win sie beeindrucken wollte. In seinem eigenen Land hätte er es niemals gewagt, einer Shiro-Dame gegenüber so etwas zu sagen.
Mit einem Augenzwinkern richtete er die Bettwäsche und wartete respektvoll, bis Suvaïdar sich ausgezogen hatte und in die Hängematte gestiegen war. Dann zog er rasch Tunika und Hose aus. Zum Vorschein kam ein typischer Asix-Körper: kurze Arme und Beine mit dicken Muskeln, ein flacher Bauch und ein beeindruckender Sixpack. Die Körperhaare waren am linken Schulterblatt sorgfältig rasiert, um die Tätowierung seines Clans, die sich blau auf der hellen Haut abzeichnete, besser zur Geltung zu bringen. Erstaunt sah Suvaïdar, dass die Tätowierung einen Schrägstrich aufwies: Der stilisierte Säbel ließ erkennen, dass Win einer Akademie anvertraut worden war.
Win stützte sich auf den Balken der Verriegelung und sprang mit einem Satz in die Hängematte, die er von innen schloss. Suvaïdar vergaß sein nervtötendes Geschwätz. Sie vergaß auch, dass er es binnen weniger Stunden geschafft hatte, ihr Leben zu ruinieren. Sie atmete den angenehmen Geruch von Zimt und Muskatnuss ein, fuhr mit der Hand über seinen haarigen Oberkörper und sagte sich, dass die Rückkehr in ihre Heimat auch einige sehr positive Seiten hatte.
*
Die Hansa 27 blieb vier Tage in der Umlaufbahn. Währenddessen verbrachten die drei Shiro sehr viel Zeit in ihrer Kabine, aber nicht allein: Die Besatzungsmitglieder tauchten einer nach dem anderen auf und verbeugten sich, von einem Bein aufs andere tretend, in der Hoffnung, man würde sie bitten, Platz zu nehmen. Hattensie erst einmal Vertrauen geschöpft, knieten sie sich dankbar auf die Matte und berichteten über ihr Leben an Bord und über die Probleme, die sie bei den Kontakten zu Menschen aus der Außenwelt gehabt hatten. Sie erzählten von den Eigenheiten, die sie auf fremden Welten beobachtet hatten, und gaben Neuigkeiten über ihre jeweiligen Clans zum Besten. Einige baten um Rat, aber die meisten begnügten sich damit, bei den Shiro zu sitzen, am liebsten mit einer Tasse Tee in der Hand, sich zu unterhalten oder einfach nur zu schweigen – zufrieden, sich in Gesellschaft von Repräsentanten der anderen Rasse aufzuhalten.
Denn das war es, was den Asix an Bord gefehlt hatte, und das war auch der Grund für ihre Unruhe. Die Klimaanlage, wie der Kommandant glaubte, spielte nur eine untergeordnete Rolle dabei.
Auch Suvaïdar begegnete den Asix mit Freude, und deren Geplapper weckte ihr aufrichtiges Interesse. Die Asix machten eine Wissenslücke von mehreren Jahren wett, denn nachdem Suvaïdar Ta-Shima verlassen hatte, war der Kontakt zur alten Heimat vollständig abgerissen. An wen hätte sie all die Jahre auch schreiben sollen? Sämtliche Botschaften an die Mitglieder des Huang-Clans wären im zentralen Haus aussortiert worden. Die Saz Adaï hätte nicht mal einen Brief an Tarr durchgehen lassen. Und ihre anderen Shiro-Freunde
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