Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)
Dienstleistung wurde nur aus einer Respektbezeugung oder aus persönlicher Sympathie heraus erbracht und wurde auch als solche verstanden. Im Übrigen verachteten die Ta-Shimoda im Allgemeinen diejenigen, die nicht in der Lage waren, sich selbst und ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.
Auch Oda, der sich jedem Nicht-Shiro gegenüber sehr arrogant verhielt, betrachtete es als ganz normal, seit seiner Ankunft an Bord seine Kleidung selbst zu waschen. Bei seiner Flucht aus Neudachren hatte er, ohne groß zu überlegen, nur den Beutel mitgenommen, in dem er didaktische Cubes und Wäsche zum Wechseln aufbewahrte. An Bord hatte er Suvaïdar die für Ta-Shimoda typische Kleidung ausgehändigt, die sie dankbar entgegengenommen hatte. Die Hose hatte sie etwas gekürzt, dann hatte sie ihr kostbares Kleid aus der Außenwelt weggeworfen, da sie es auf Ta-Shima mit Sicherheit nicht tragen würde.
Am dritten Tag gab es ein großes Kommen und Gehen. Eine Landefähre dockte an, und die beiden Ehefrauen des Botschafters kamen an Bord, begleitet von seiner Tochter, die sie zuvor aus ihrer Schule auf Tiniac geholt hatten.
Es handelte sich um drei typische Neudachren-Damen, groß, mit hellem Haar und milchweißem Teint. Sie trugen sehr kostspielige, prächtige Fototex-Kleider aus einem glänzenden synthetischen Gewebe, deren Farbe sich je nach Lichteinfall änderte. Wie die unitaristische Religion es verlangte, zu deren Prinzipien Keuschheit und Sittsamkeit gehörten, ließen die Kleider nicht einen Zentimeter Haut frei; nichtsdestotrotz gab es gewisse Andeutungen weiblicher Formen: Das Oberteil war sehr ausgerichtet, sodass Brüste und Hüften sich deutlich abhoben, und die langen, steifen Röcke in changierenden Farben – wahnsinnig unbequeme Kleidungsstücke, wie Suvaïdar aus eigener Erfahrung wusste – hatten an den Seiten Schlitze bis unter die Knie, die einen Blick auf die fünf Unterröcke freigaben.
Die drei Frauen waren eine wahre Symphonie aus Farben: Die Erste, die an Bord ging – die ältere Ehefrau Seiner Exzellenz, groß und gut gewachsen, ohne dick zu sein, mit aschblondem Haar und strengen Zügen –, funkelte bei jedem ihrer Schritte in Grün, Malve und Azurblau. Ihre Tochter folgte ihr in glitzernden Pastelltönen; der Tochter wiederum folgte die zweite Gemahlin, die in allen Nuancen sämtlicher warmen Farben – von Rot bis Gelb – aufzuflammen schien. Der Gipfel an Luxus! Selbst die bunten Unterröcke, die aus den Schlitzen hervorschauten, waren aus Fototex und begleiteten sämtliche Bewegungen ihrer Trägerinnen in schillernden Farben. Alle drei Frauen waren geschminkt und parfümiert und trugen eine komplizierte Frisur und reichlich Schmuck. Sie waren grazil wie Schmetterlinge oder Blumen – oder wie die prachtvollen, kleinen bunten Tiere von Oderissan, die nach dem Terraforming des Planeten leider verschwunden waren.Es gelang ihnen, auf ihren unbequemen, zwanzig Zentimeter hohen Absätzen ungezwungen und elegant dahinzuschreiten. Wenn sie sich mit ihren bedächtigen, festen Schritten voranbewegten, musste man unwillkürlich an buntbemalte Volieren mit farbigen Blumen denken, die auf dem Wasser trieben.
Die Damen waren das Produkt von Jahrhunderten, in denen vor allem die Liebe zum Schönen und zur Kunst gezählt hatte. Sie hatten ihre eigenen Körper in Kunstwerke verwandelt, und sie lebten und schwärmten für die Ästhetik und die Musik, für Mode und Parfums, für Tanz und bildende Kunst – alles Dinge also, die Oda »überflüssiges Zeug« genannt hätte.
Die Tochter Seiner Exzellenz war eine typische Neudachrener Schönheit, groß, mit seidigem, silberblondem Haar, leuchtend blauen Augen und sehr hellem Teint – anders als der weiße, durchscheinende Teint der Asix. Jeder x-beliebige Bewohner der Zentralplaneten würde stehen bleiben, um sie bewundernd zu betrachten – sie, die der Schönheit einer Skulptur in nichts nachstand. Doch die Asix, die schamlos und laut über des Botschafters Tochter redeten und sie mit ihrem Schönheitsideal verglichen, den Shiro-Damen, fanden sie zu dick und zu blass.
Die erste Frau Rasser bekam einen Schreck, als sie zum ersten Mal einen Raumfahrtbegleiter sah. Dieser war gerade mit Wartungsarbeiten in dem Gang beschäftigt, der zu den Luxuskabinen führte, die dem Personal der Botschaft vorbehalten waren.
»Aber ... das ist ja eine Frau!«, rief des Botschafter Gemahlin voller Entsetzen und musterte die klotzige Gestalt in der weiten Hose und den Stiefeln,
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