Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)
fragte: »Gefällt dir der Professor?«
»Ja, er hat Augen und Haare wie ein Shiro. Er ist so schön!«
Sie verlor das Interesse am Kommandanten, um ihren Nachbarn von Neuem aufmerksam zu beobachten. Schließlich sagte sie:
»Mein Dienst ist zu Ende, Professor. Ich habe jetzt zehn Stunden frei. Darf ich dich auf deinem Raumschiff besuchen?«
»Äh ...«, begann der Professor, völlig perplex.
Das junge Mädchen erhob sich mit einem Satz und reichte ihm die Hand, um ihm beim Aufstehen zu helfen. Es war eine Geste, der eine gewisse Galanterie innewohnte. Dann ging sie zur Tür. Li Hao, der keine Ahnung hatte, wie er ablehnen sollte, folgte ihr.
Noch wusste er nicht, dass es auch für eine Ta-Shimoda eine kühne Geste war, jemanden in der Öffentlichkeit zu berühren. Mehr noch, es war unangebracht.
5
Außenwelt – Ta-Shima
Die erste Woche
der Reise verlief ohne besondere Vorkommnisse. Suvaïdar verbrachte viel Zeit allein mit sich und ihren Grübeleien, schaute sich irgendwelche Holo-Cubes oder Bücherbänder aus der Bibliothek des Raumschiffes an und diskutierte oft mit Tichaeris und vor allem mit ihrem Bruder Oda. Letzterer war immer für sie da, wenn sie Lust zum Plaudern verspürte.
»O Hedaï«, fragte Oda sie an einem dieser Tage, »du hast doch sehr viel länger als ich in der fremden Welt zugebracht. Was denkst du, was dort gerade geschieht?«
»Tut mir leid, da muss ich dich enttäuschen. Ich habe nicht die leiseste Ahnung. Trotzdem denke auch ich darüber nach, seitdem wir an Bord gegangen sind. Wenn eine so große Macht wie die Föderation es gewollt hätte, hätte sie mich mit Leichtigkeit vertreiben und vernichten können. Doch sie hat sich nahezu sechs Trockenzeiten lang praktisch nicht um mich gekümmert. Nun aber, nach dem plötzlichen Tod von Haridar, der in Wahrheit ein Attentat war, haben die Spezialeinheiten dich und mich aufgesucht. Und das Großaufgebot des Militärs auf Wahie, nur um eine Ärztin auf der Flucht zu fassen, war völlig unverhältnismäßig. Es muss dabei um Fragen der internen föderativen Politik gehen, genauer gesagt, um die Politik von Neudachren, in die ihre Spezialkräfte verwickelt sind, wahrscheinlich auch der konservative Flügel der herrschenden Partei. Das sind die einzigen Schlussfolgerungen, die ich ziehen kann, aber das sind natürlich nur Hypothesen. Es könnte genauso gut sein, dass sie von heute auf morgen das Interesse an uns verlieren, falls an einem vielversprechenderen Ort als Ta-Shima – ein kleiner, peripherer Planet ohne Bedeutung – irgendwas passiert.« Bei dieser Definition runzelte Oda die Stirn. Suvaïdar fuhr fort: »Ich kann verstehen, dass eine solche Idee einem arroganten Shiro wie dir nicht gefällt, aber ...«
»Du bist auch eine Shiro, Suvaïdar, obwohl du die Tür hinter dir zugeworfen hast und fortgegangen bist. Auf jeden Fall bist du genug Shiro geblieben, um weiterhin deinem Teil zum Erhalt des Clans beizusteuern.«
»Tja, das zeigt, dass ich weniger Rebellin war, als ich dachte. Was ich sagen wollte ... glaubst du, man könnte in der Sporthalle des Raumschiffes ein bisschen trainieren? Ich möchte bei der Ankunft nicht den Eindruck erwecken, eine Sitabeh zu sein.«
Oda versuchte, sein Lächeln zu verbergen, als er den beleidigenden Begriff »Sitabeh« hörte, und schüttelte verneinend den Kopf.
»Ich fürchte, das geht nicht. Das Botschaftspersonal hat sich bereits eingeschrieben, und es ist unmöglich, in demselben Raum zu trainieren. Das betrifft vor allem die Frauen, das wäre ein Skandal.«
Suvaïdar pflichtete ihm bei: Die Bewohner der Außenwelten erfanden zahllose wilde Geschichten, wenn sie eine nackte Frau sahen. Das hatte sie bereits in den ersten Tagen auf Wahie festgestellt.
»Tichaeris hat einen kleinen Fechtraum im Schlafsaal der Asix eingerichtet«, fuhr Oda fort. »Wir können jeden Tag dorthin gehen. Du bist herzlich eingeladen.«
»Warum hat mir keiner was davon gesagt?«
»Ich habe darauf gewartet, dass du fragst.«
Seufzend erhob sie sich. Auf Wahie war sie eine Faulenzerin geworden; jetzt war es an der Zeit, als Ta-Shimoda wieder gesündere Lebensgewohnheiten aufzunehmen.
»Ich war immer eine Katastrophe, in jeder Hinsicht«, vertraute sie sich ihrem Bruder an, nachdem sie sich auf den Weg gemacht hatten. »Selbst Doran Huang hat das gesagt. Erinnerst du dich noch, wie streng sie war? Sie war doch auch deine Lehrerin, oder?«
»Nicht lange. Als ich gut genug war«, Oda blickte sie
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