Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)
entschuldigend an, »hat man mich auf die Akademie des Inneren Friedens geschickt. Dort war gerade Tarr Huang zum Lehrer der Anfänger ernannt worden.«
»Tarr? Da hast du aber Glück gehabt. Er war immer sehr freundlich und begeisterungsfähig.«
»Es war dem ganzen Clan bekannt, dass er vor allem Augen für dich hatte, O Hedaï.«
»Viel Gerede um nichts! Alle Shiro hatten Asix als Gefährten.«
»Ja, aber sie haben nicht die Universität geschmissen, um mit ihnen Tête-à-Tête auf das Fest der Vier Monde zu gehen, wo doch die Saz Adaï gerade versucht hatte, ein Bündnis mit einem bedeutenden Clan zu schmieden. Und was Huang betrifft, den Chef des Clans – er hatte auch auf mich ein Auge geworfen, ganz besonders auf meine Waden. Ich habe mir nie wieder so viele Striemen zugezogen wie in der ersten Woche, als ich sein Schüler war.«
»Er persönlich hat dich unterrichtet? Das ist ja unglaublich! Was hattest du denn verbrochen?«
»Ich habe eine Sekunde aus dem Fenster geguckt, als er gerade eine Bewegung vorgeführt hat und sie erklärte.«
Sie waren nun am Schlafraum der Asix angekommen. Die Hängematten waren abgenommen und zur Seite gelegt worden, die verschiebbaren Trennwände weggestellt. Aus einer Vielzahl von Kabinen war so ein einziger großer Raum entstanden. Einige Raumfahrtbegleiter trainierten gerade unter der Anleitung eines Asix, der beeindruckende breite Schultern besaß und als Einziger sein Gesicht nicht geschützt hatte.
Oda und Suvaïdar warteten voller Respekt auf den Ruf: »Pause!« Das bedeutete, dass diejenigen gehen konnten, die sich im Übungsbereich befanden, sofern sie wollten, und neue Kämpfer dazukommen durften.
Sie grüßten die anderen, zogen ihre Tunika aus, setzten ihre Schutzmaske auf und näherten sich der Wand, an der diverse Binsenbündel unterschiedlicher Größe – unten zusammengebunden und zu zwei Dritteln mit einem dünnen Daïbanband umschlungen – befestigt waren.
»Der große Säbel?«, schlug Oda seiner Schwester vor und reichte ihr eines der längsten Bündel. Suvaïdar war einverstanden. Sie hatte keine Lust, sich auf irgendeinen schwierigen Kampfstil einzulassen.
Sie fixierte die Schutzschärpe auf Odas Brust; dann verbeugten sie sich beide vor dem Asix, der ihnen als Lehrer die Erlaubniszum Duell erteilte. Sie machten rasch ein paar Übungen, um die Muskeln aufzuwärmen; dann packten sie die Säbel mit beiden Händen und umkreisten einander langsam, ohne den anderen auch nur einen Moment aus den Augen zu lassen. Suvaïdar, die plötzlich das Gefühl hatte, jemand würde sich ihr nähern, wandte den Blick für den Bruchteil einer Sekunde ab und bezahlte ihren Fehler auf der Stelle: Das Binsenbündel Odas traf sie am Arm, und sie zuckte zusammen.
»Guck deinen Partner an!« Die Waffe des Lehrers traf sie mit voller Wucht auf den Waden. »Und pass auf die gebeugten Beine auf!«
Suvaïdar triefte vor Schweiß und musste zahllose Schläge einstecken, bevor endlich das ersehnte Signal »Pause« ertönte.
»Schluss für heute«, sagte der Lehrer. »Wir müssen den Schlafraum wieder für die Nacht vorbereiten.«
Sie stellten ihre Waffen zurück und wuschen sich so gut es ging in den Einrichtungen, die man beschönigend »die Duschen« der Besatzung nannte, obwohl es dort nicht genügend Wasser gab, um die Haut richtig sauber zu bekommen. Nachdem sie die Hosen ausgezogen hatten, rieben Oda und Suvaïdar sich gegenseitig mit einem nassen Handtuch den Rücken ab. Der Asix-Lehrer kam zu ihnen, stupste mit einem Finger gegen Suvaïdars flachen Bauch und sagte kopfschüttelnd:
»Dir fehlt die Übung. Du hast weniger Bauchmuskeln als eine Frau, die kurz vor der Niederkunft steht.« Dann wandte er sich Oda zu. »Und du hast das Tempo verlangsamt und absichtlich schlecht gezielt. Es ist in Ordnung, wenn man sich dem Niveau seines Partners anpasst, aber es ist vollkommen unnötig, es ihm auch noch leicht zu machen. Morgen werde ich mit euch beiden zusammen trainieren.«
»Ja«, erwiderte Suvaïdar folgsam, und mit einem Ausdruck der Besorgnis schluckte sie ihren Speichel herunter.
Beide zogen sich an und schlenderten zur Kombüse.
»Weißt du, dass man die sechste Regel der Akademie geändert hat?«, fragte Oda, während sie unterwegs waren.
»Was? Das darf doch wohl nicht wahr sein!«, rief Suvaïdar empört, um ihren Ausruf anschließend mit einem Kopfschütteln zu bekräftigen. »Ich glaube, ich habe kein einziges Mal an die sieben Regeln gedacht, seit
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