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Das Gesicht des Drachen

Das Gesicht des Drachen

Titel: Das Gesicht des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Ringfinger. »Was hast du vor?«, fragte er.
    »Halt es einfach nur ganz ruhig«, murrte Rhyme.
    »Alles klar.«
    »Kommando, Cursor runter. Kommando, Cursor stop. Kommando, Doppelklick.« Auf dem Bildschirm öffnete sich ein Zeichenprogramm. »Kommando, Linie ziehen.«
    »Wann hast du das denn gelernt?«, fragte Thom überrascht.
    »Ruhe. Ich muss mich konzentrieren.« Rhyme atmete tief durch und fing an, seinen Finger über das Pad zu bewegen. Auf dem Monitor erschien eine zittrige Linie. Die Anstrengung trieb Rhyme den Schweiß auf die Stirn.
    »Beweg das Pad jetzt nach links, Thom, aber ganz vorsichtig«, stieß er schwer atmend zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Er war so nervös, als würde er gerade eine Bombe entschärfen.
    Der Betreuer folgte dieser und auch den nächsten Anweisungen.
    Zehn Minuten Höllenqualen, zehn Minuten äußerster Anspannung. Rhyme sah auf den Schirm, war mit dem Ergebnis endlich zufrieden und lehnte den Kopf zurück.
    »Kommando, drucken.«
    Thom ging zum Drucker. »Möchtest du dein Werk begutachten?«
    »Natürlich will ich es sehen«, schnauzte Rhyme ihn an.
    Thom nahm das Blatt und hielt es ihm hin.
    Für meinen Freund Sonny Li von Lincoln »Ich glaube, das ist das Erste, was du seit dem Unfall in deiner eigenen Handschrift geschrieben hast.«
    »Es sieht aus wie das Gekritzel eines Schulkinds«, murmelte Rhyme, der sich gleichwohl über das Ergebnis freute. »Man kann es kaum entziffern.«
    »Soll ich es in das Buch einkleben?«, fragte Thom.
    »Ja, wenn du so nett wärst. Danke«, sagte Rhyme. »Und dann leg es beiseite. Wir geben es Li, wenn er zurückkommt.«
    »Ich packe es noch hübsch ein«, sagte der Betreuer.
    »Ich schätze, so weit brauchen wir nicht zu gehen«, merkte Rhyme unwirsch an. »So, und jetzt kümmern wir uns wieder um die Beweise.«
     
     
     
    ...Sechsunddreißig
    Okay, ich kann das.
    Amelia Sachs stand auf dem geriffelten Metallboden des Sikorsky HH-60J Küstenwachhelikopters ungefähr fünfzehn Meter oberhalb der wippenden Antenne der Evan Brigant und ließ sich in das Geschirr der Kabelwinde helfen.
    Als sie um den Flug gebeten hatte, war ihr nicht bewusst gewesen, dass die einzige Möglichkeit, an Bord zu gelangen, darin bestehen würde, sich zu dem schwankenden Deck abzuseilen.
    Tja, womit hatte sie gerechnet?, überlegte sie nun. Mit einer Rolltreppe?
    Der Hubschrauber tanzte im starken Wind auf und ab, und unter ihnen konnte Sachs in der Gischt rund um das Schiff die zerklüfteten weißen Kämme der grauen Wogen sehen.
    Sie trug eine orangefarbene Weste und einen verbeulten Helm, packte den Haltegriff neben dem offenen Ausstieg und dachte erneut: Okay, ich kann das.
    Der Mann hinter ihr rief etwas, das sie nicht verstand, und sie rief zurück, er möge es bitte wiederholen - was offenbar nicht bei ihm ankam, denn er wertete ihre Worte als Bestätigung. Dann befestigte er einen Haken an dem Geschirr, überprüfte noch einmal die Gurte und rief abermals etwas. Sachs deutete auf sich selbst und zur Tür hinaus. Er reckte den Daumen hoch.
    Okay.
    Ich kann das.
    Eigentlich litt sie an Klaustrophobie, nicht an Höhenangst, aber dennoch.
    Sie trat hinaus und hielt sich am Kabel fest, obwohl sie sich zu erinnern glaubte, dass man sie angewiesen hatte, dies nicht zu tun. Im ersten Moment schwang sie wild hin und her, aber dann ließ das Pendeln nach, und sie sank abwärts. Der Wind und der starke Rotorwirbel schüttelten sie durch.
    Runter, runter.
    Plötzlich hüllte sie ein Nebelfetzen ein, und sie verlor die Orientierung. Sachs hing mitten im Raum und konnte weder den Helikopter noch das Schiff sehen. Regen prasselte ihr ins Gesicht und blendete sie vollends. Ihr wurde schwindlig, und sie konnte nicht sagen, ob sie wie ein außer Kontrolle geratenes Pendel umherschwang oder mit hundert Kilometern pro Stunde auf das Schiff zustürzte.
    Ach, Rhyme.
    Aber dann wurde das Küstenwachboot unter ihr sichtbar.
    Die Evan Brigant hob und senkte sich und schaukelte hin und her, aber wer auch immer am Ruder stehen mochte, er hielt das Schiff perfekt in Position - trotz der Wellen, deren gewaltige Größe beinahe unecht wirkte, so als wären es Trickeffekte in einem Spielfilm. Amelias Füße berührten das Deck, aber gerade als sie das zentrale Gurtschloss des Geschirrs öffnete, sank das Schiff in ein Wellental, und sie fiel anderthalb Meter tief. Der Aufprall war heftig und schickte einen stechenden Schmerz durch ihre arthritischen Beine. Während zwei

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