Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Gesicht des Drachen

Das Gesicht des Drachen

Titel: Das Gesicht des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
Vom Netzwerk:
sich langsam herumdrehen.
    Dong, dong.
    Nein, dachte sie. Ich kann das nicht.
    Die Wände schienen bereits näher zu rücken. Sachs litt seit ihrer Kindheit an Klaustrophobie und musste nun ständig daran denken, wie es wohl wäre, in einem dieser schmalen Durchlässe stecken zu bleiben. Sie würde verrückt werden.
    Zwei tiefe Atemzüge der trockenen Luft aus dem Lungenautomaten.
    Sie dachte an die Familie Chang. Sie dachte an das kleine Mädchen.
    Und sie schwamm weiter.
    Noch zweitausenddreihundert Pfund Luftdruck.
    Es läuft doch prima. Bleib ruhig.
    Dong.
    Dieses verdammte Geräusch - als würde die Tür einer Gruft sich schließen.
    Achte nicht darauf. Niemand schließt hier irgendwelche Türen.
    Die Räume über ihr - auf der nach oben weisenden Backbordseite der Dragon - hatten nicht dem Geist gehört, folgerte sie: Zwei schienen auf dieser Reise nicht genutzt worden zu sein, und einer war die Kabine des Kapitäns; sie stieß auf diverse Andenken und auf Fotos des kahl geschorenen Schnurrbartträgers, den sie aufgrund der Bilder an Lincoln Rhymes Wand als Sen Zijun identifizierte.
    Dong, dong, dong.
    Sie schwamm nach unten, um die Räume auf der anderen Seite des schmalen Gangs zu überprüfen.
    Dabei blieb sie mit der Pressluftflasche an einem Feuerlöscher hängen, der an der Korridorwand befestigt war, und wurde ruckartig gebremst. Die Enge und das Gefühl, in einer Falle zu stecken, versetzten sie sofort in Panik.
    Alles in Ordnung, Sachs, hörte sie Lincoln Rhymes tiefe Stimme sagen, und zwar in genau dem beschwichtigenden Tonfall, in den er immer dann verfiel, wenn er an einem Tatort durch das Headset zu ihr sprach. Alles in Ordnung.
    Sie riss sich zusammen, wich ein kleines Stück zurück und machte sich wieder frei.
    Zweitausendeinhundert Pfund.
    Drei der Kabinen unter ihr waren nicht belegt gewesen. Somit blieb nur noch eine übrig - die des Geists.
    Ein gewaltiges Ächzen.
    Wieder dieses Hämmern.
    Dann ein dermaßen lautes Stöhnen, dass sie es sogar in ihrer Brust spüren konnte. Was ging da vor sich? Das ganze Schiff erzitterte! Die Türen würden sich verklemmen und sie in alle Ewigkeit hier einsperren. Sie würde langsam ersticken, einsam krepieren. Ach, Rhyme .
    Doch plötzlich hörte das Stöhnen auf, und nur das Hämmern blieb übrig.
    Vor der Kabine des Geists zu ihren Füßen hielt sie inne.
    Die Tür war geschlossen. Sie ging nach innen auf - nun ja, nach unten. Amelia drehte den Knauf. Der Riegel wich zurück, und die schwere Holztür sank hinab. Sachs starrte nach unten in die Finsternis. Im Raum schwamm alles Mögliche. Mein Gott. Sie erschauderte und blieb in dem schmalen Korridor schweben.
    Doch Lincoln Rhymes Stimme erklang in ihrem Kopf, so deutlich, als würde er tatsächlich zu ihr sprechen. »Es ist bloß ein Tatort, Sachs. Mehr nicht. Und Tatortarbeit ist unser Beruf, nicht wahr? Du teilst ihn in ein Raster ein, du durchsuchst ihn, du schaust ihn dir genau an, du sicherst Spuren.«
    Okay, Rhyme. Aber auf die Aale könnte ich gut und gern verzichten.
    Sie ließ etwas Luft aus der Tarierweste und sank langsam in die Kabine hinunter.
    Der Anblick ließ sie erschrocken verharren.
    Vor ihr trieb mit geschlossenen Augen ein Mann in der Schwärze. Sein Mund war weit aufgerissen, die Arme waren ausgestreckt, seine Jacke wölbte sich hinter ihm. Sein Gesicht war so weiß wie Papier.
    Um ihn herum trieben schätzungsweise tausend Hundertdollarscheine und füllten den ganzen Raum aus, beinahe wie die künstlichen Flocken in diesen kleinen Schneekugeln.
    Das Geld war dem Mann zum Verhängnis geworden. Es schaute aus seinen Taschen, und Amelia kam zu dem Schluss, dass er beim Untergang des Schiffs versucht haben musste, den Geist zu berauben, und dabei eingeschlossen worden war.
    Sie sank weiter nach unten und verwirbelte die Banknoten.
    Das Geld erwies sich schon bald als überaus lästig, denn es blieb an Sachs haften und begrenzte ihre Sicht auf einen, höchstens anderthalb Meter, ähnlich wie eine Rauchwolke. (Schreib das auch in dein Buch, Rhyme: Zu viel Geld an einem Tatort kann die Untersuchung extrem erschweren.) Amelia packte eine gute Hand voll Scheine als Beweismittel in ihr Netz, schwamm zur jetzigen Decke und früheren Seitenwand der Kabine empor und fand dort einen Aktenkoffer, der in der schmalen Luftblase trieb. Sein Inneres barg noch mehr Bargeld offensichtlich chinesischer Herkunft. Auch hiervon nahm sie einige Proben.
    Dong, dong.
    Mein Gott, ist das gruselig. Um sie

Weitere Kostenlose Bücher