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Das Gesicht des Drachen

Das Gesicht des Drachen

Titel: Das Gesicht des Drachen
Autoren: Jeffery Deaver
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niemals vollständig ausschalten. Doch die Ermordung aller Passagiere? All dieser Familien und Kinder? Nein, auf diese Variante war er wirklich nicht gekommen.
    Verdammt noch mal, er hatte in seinem dreitausend Dollar teuren Luxusbett gelegen und sich das Problem der Einwanderungsbehörde schildern lassen, als handle es sich bei der Suche nach dem Geist um ein vergnügliches Partyspiel. Dann hatte er seine Schlussfolgerungen gezogen und den Leuten spöttisch die Lösung präsentiert.
    Und dabei hatte er es belassen - hatte keinen Schritt weitergedacht und sich nie überlegt, dass die Flüchtlinge in solch furchtbarer Gefahr schweben könnten.
    Die Illegalen werden oft auch als »Verschwundene« bezeichnet falls sie versuchen, einen der Schlangenköpfe zu hintergehen, beseitigt man sie. Sobald sie sich über irgendetwas beklagen, räumt man sie aus dem Weg. Sie lösen sich einfach für immer in Luft auf.
    Lincoln Rhyme war wütend auf sich selbst. Er wusste, wie gefährlich der Geist war; er hätte mit dieser tödlichen Wendung rechnen müssen. Er schloss einen Moment lang die Augen und versuchte, den seelischen Druck in den Griff zu bekommen. Denk nicht an die Toten, hatte er sich schon häufig gesagt - ebenso wie früher seinen Mitarbeitern von der Spurensicherung -, und auch jetzt wiederholte er diesen Satz im Stillen wie ein Stoßgebet. Doch es gelang ihm nicht ganz, nicht bei diesen armen Leuten. Die Versenkung der Dragon war etwas anderes. Diese Toten waren keine Leichen an einem Tatort, deren glasige Blicke und starr grinsende Münder man zu ignorieren lernte, um professionell arbeiten zu können. Hier hatten ganze Familien ihr Leben verloren, und zwar durch seine eigene Nachlässigkeit.
    Man würde das Schiff entern, den Geist verhaften, alles gründlich durchsuchen, und damit wäre seine Arbeit an diesem Fall getan, sodass er sich wieder der Vorbereitung auf seine Operation widmen könnte, hatte Rhyme geglaubt. Jetzt aber war ihm klar, dass er weitermachen musste. Der Jäger in ihm wollte diesen Mann aufspüren.
    Dellrays Telefon klingelte. Nach einem kurzen Gespräch trennte er die Verbindung.
    »Es gibt Neuigkeiten. Die Küstenwache glaubt, dass mehrere Motorboote sich dem Ufer nähern.« Er ging zu der Karte und wies mit einem langen Finger auf die vermutete Stelle, »Ungefähr hier, bei Easton - einer Kleinstadt an der Straße nach Orient Point. Bei dem Sturm kann kein Helikopter starten, aber es sind bereits einige Schiffe zum Unglücksort unterwegs, um nach Überlebenden zu suchen, und wir setzen unsere Leute von Port Jefferson aus in Bewegung.«
    Alan Coe fuhr sich durch das Haar. »Ich möchte mitkommen«, sagte er zu Peabody.
    »Für Personalentscheidungen ist hier jemand anderes zuständig«, erwiderte der INS-Beamte pikiert und wies damit nicht allzu subtil darauf hin, dass Dellray und das FBI die Leitung hatten. Spitze Bemerkungen wie diese waren den Agenten in den letzten Tagen regelrecht zur Gewohnheit geworden.
    »Wie sieht's aus, Fred?«, fragte Coe.
    »Nein«, antwortete Dellray geistesabwesend.
    »Aber ich...«
    Der FBI-Mann schüttelte energisch den Kopf. »Sie können dort nichts ausrichten, Coe. Falls man ihn verhaftet, dürfen Sie ihn sich gern im Gefängnis vorknöpfen und richtig durch die Mangel drehen, aber im Augenblick geht es um eine taktische Zugriffsoperation, und die gehört nun mal nicht zu Ihrem Spezialgebiet.«
    Der junge Beamte hatte ihnen gutes Material über den Geist geliefert, aber nach Rhymes Ansicht war es schwierig, mit ihm zusammenzuarbeiten. »Ach, das ist doch Scheiße.« Mürrisch ließ Coe sich auf einen der Bürostühle fallen.
    Ohne darauf einzugehen, roch Dellray einmal kurz an seiner Zigarette, steckte sie sich wieder hinters Ohr und tätigte einen weiteren Anruf. Danach erläuterte er den anderen die Einzelheiten. »Wir versuchen, auf den kleineren Highways der Gegend Straßensperren zu errichten - auf Route 25, 48 und 84. Allerdings herrscht inzwischen starker Berufsverkehr, und niemand traut sich, den Long Island Expressway oder den Sunrise Highway abzuriegeln.«
    »Wir sollten die Mautstellen an den Tunneln und Brücken verständigen«, schlug Sellitto vor.
    Dellray zuckte die Achseln. »Das können wir machen, aber es reicht nicht aus. Chinatown ist für diesen Kerl vertrautes Territorium, und falls er es bis dorthin schafft, wird es nahezu unmöglich sein, ihn zu finden. Wir müssen ihn unbedingt an der Küste erwischen.«
    »Und wann werden die
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