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Das Gesicht des Drachen

Das Gesicht des Drachen

Titel: Das Gesicht des Drachen
Autoren: Jeffery Deaver
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dein Mitgefühl, Sachs, aber das steht jetzt nicht zur Debatte. Fährst du auch schön vorsichtig?«
    »Aber natürlich«, sagte sie und lenkte seelenruhig gegen, als das Heck des Wagens um mindestens vierzig Grad ausbrach. Ihr Herzschlag erhöhte sich dabei nicht im Geringsten. Der Camaro richtete sich wie an unsichtbaren Schnüren wieder aus, und sie beschleunigte auf 225 Kilometer pro Stunde. Der ESU-Cop schloss die Augen.
    »Es wird gefährlich, Sachs. Halt deine Waffe bereit.«
    »Die halte ich immer bereit.« Abermals ein leichtes Schlingern.
    »Das Küstenwachboot meldet sich wieder, Sachs. Ich muss jetzt Schluss machen.« Er hielt kurz inne. »Lass dir keine Einzelheit entgehen, aber pass auf dich auf.«
    Sie lachte. »Das gefällt mir. Wir sollten es auf T-Shirts drucken und an die Leute von der Spurensicherung verteilen.«
    Sie legte auf.
    Der Expressway war zu Ende, und Sachs bog schlitternd auf einen kleineren Highway ab. Noch vierzig Kilometer bis Easton, wo die Boote das Festland erreichen würden. Amelia war noch nie dort gewesen und wusste als Großstädterin nicht, wie das Gelände aussah. War es ein normaler Strand? Felsige Klippen? Würde sie klettern müssen? Ihre Arthritis hatte sich in letzter Zeit wieder verschlimmert, und bei diesem feuchten Wetter waren der Schmerz und die Steifheit doppelt so heftig.
    Eine weitere Frage kam ihr in den Sinn: Gab es dort viele Verstecke, die dem Geist einen Angriff aus dem Hinterhalt ermöglichen würden, sofern er sich immer noch am Ufer befand?
    Sie warf einen Blick auf den Tacho.
    Sollte sie vielleicht doch etwas langsamer fahren?
    Aber die Reifen hatten noch reichlich Profil, und die Feuchtigkeit an Amelias Händen stammte von dem Regen, der sie in Port Jefferson durchnässt hatte. Sie trat das Pedal weiter durch.
    Je näher sie dem Ufer kamen, desto häufiger wurden im Wasser Felsen sichtbar. Die Küste war stark zerklüftet.
    Sam Chang kniff die Augen zusammen und spähte durch Regen und Gischt. Vor ihnen waren ein paar kurze, mit Kieseln und schmutzigem Sand bedeckte Uferstücke zu erkennen, aber der Großteil der Küstenlinie bestand aus dunklem Felsgestein und hohen Klippen. Um eine Stelle zu erreichen, an der sie an Land gehen konnten, würde er das Boot durch einen Hindernisparcours aus scharfkantigen Steinen manövrieren müssen.
    »Er ist immer noch hinter uns her«, rief Wu.
    Chang schaute zurück und konnte das Boot des Geists als winzigen orangefarbenen Punkt ausmachen. Es hielt direkt auf sie zu, kam aber langsamer voran, weil der Schlangenkopf in gerader Linie durch die Wellen pflügte. Chang hingegen verhielt sich getreu seiner taoistischen Überzeugung und folgte dem natürlichen Fluss des Wassers; er kämpfte nicht dagegen an, sondern umsteuerte die stärksten Wellenkämme in einem Serpentinenkurs und nutzte die landwärts gerichteten Wogen, um ihre Fahrt zu beschleunigen. Der Abstand zwischen ihnen und dem Verfolger wuchs weiterhin.
    Bis der Geist das Ufer erreichte, müsste ihnen noch genug Zeit bleiben, zu den Lastwagen zu gelangen, die sie nach Chinatown bringen sollten, schätzte Chang. Die Fahrer würden nichts von dem Untergang des Schiffs wissen, aber Chang wollte ihnen von der nahenden Küstenwache berichten und sie bitten, sofort loszufahren. Falls sie darauf bestanden, noch zu warten, würden Chang, Wu und die anderen sie überwältigen und sich selbst ans Steuer setzen.
    Er musterte den Küstenverlauf und das Hinterland - jenseits des Strandes ragten Bäume inmitten von Wiesen auf. Regen und Dunst erschwerten sein Vorhaben, aber Chang meinte eine Straße und in nicht allzu großer Entfernung auch einige Lichter zu erkennen. Sie standen ziemlich eng beieinander; vermutlich ein kleines Dorf.
    Er wischte sich das beißende Salzwasser aus den Augen und betrachtete die Menschen zu seinen Füßen, die schweigend in Richtung Ufer starrten und das aufgewühlte Meer beäugten, die Strömungen und Wirbel, die nahen Felsen, scharf wie Messer, dunkel wie getrocknetes Blut.
    Dann tauchte dicht vor ihnen unmittelbar unter der Wasseroberfläche ein Riff auf. Chang ging vom Gas, riss das Ruder herum und entkam der Gefahr nur um Haaresbreite. Das Boot stand jetzt parallel zu den stürmischen Wogen, die über die Bordwand schlugen. Einmal wären sie fast gekentert, dann noch einmal. Er wollte durch eine Lücke in der Felsbank steuern, aber plötzlich erstarb der Motor. Chang nahm die Leine des Anlassers und riss hektisch daran. Ein kurzes
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