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Das Gesicht des Drachen

Das Gesicht des Drachen

Titel: Das Gesicht des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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erschrockene Gesicht des Geists gerichtet und brüllten ihm ohrenbetäubend laut die übliche Litanei entgegen: »Runter, runter, runter, Polizei, Waffe fallen lassen, auf den Boden, runter!«
    Jemand entriss ihm die Pistole, er wurde bäuchlings zu Boden geworfen, mit Handschellen gefesselt und durchsucht. Ein kleiner Ruck an seinem Knöchel verriet ihm, dass man auch die Modell 51, seine Glückswaffe, gefunden hatte. Dann wurden seine Taschen geleert.
    »Täter überwältigt«, rief einer der Beamten. »Schauplatz gesichert.«
    »Draußen haben wir zwei; beide unten und verschnürt.« Das bedeutete, sie lagen auf dem Bauch, und ihre Handgelenke waren mit Metallschellen oder Plastikbändern gefesselt. Es musste sich um die zwei Männer aus dem Ford Windstar handeln, den Sachs schon früh im Rückspiegel entdeckt hatte. Uiguren aus dem Kulturzentrum in Queens, vermutete sie.
    »Sonst noch wer?« Sachs beugte sich hinab und flüsterte es dem Geist schroff ins Ohr.
    »Was.«
    »Wir haben die beiden Männer, die uns gefolgt sind. Ist da sonst noch wer?«
    Der Geist antwortete nicht. Sachs nahm ihr Funkgerät.
    »Ich habe nur den einen Wagen bemerkt. Das ist anscheinend alles.«
    Lon Sellitto und Eddie Deng kamen aus dem ersten Stock nach unten, wo sie gewartet hatten, um das Einsatzteam nicht zu behindern. Sie musterten den Geist, der vor ihnen am Boden lag und aufgrund des Schocks und der rauen Behandlung nach Luft rang. Für Amelia Sachs sah er ganz harmlos aus - ein attraktiver, aber ziemlich kleiner Asiat mit leicht ergrautem Haar.
    Aus Sellittos Funkgerät ertönte eine Stimme. »Scharfschützen Eins und Zwei an Basis. Einsatz beenden?«
    Er drehte die Lautstärke etwas herunter. »Basis an Schützen, alles klar.« Der stämmige Detective wandte sich an den Geist. »Die beiden hatten Sie vom ersten Moment an im Visier. Falls Sie die Waffe in Amelias Richtung gehoben hätten, wären Sie jetzt tot. Glück gehabt.«
    Sie zerrten den Geist ins Wohnzimmer und setzten ihn auf einen Stuhl. Eddie Deng las ihm seine Rechte vor - auf Englisch, Putonghua und Minnanhua. Nur um sicherzugehen.
    Er bestätigte, alles verstanden zu haben, und wirkte dabei erstaunlich ungerührt, wie Sachs angesichts der Umstände fand.
    »Was ist mit den Changs?«, fragte sie Sellitto.
    »Alles in Ordnung. Zwei INS-Teams sind in der Wohnung. Beinahe wär's in die Hose gegangen. Der Vater hatte eine geladene Pistole in der Hand, aber die Agenten haben ihn mit einem Nachtsichtgerät rechtzeitig durch eines der Fenster entdeckt. Daraufhin haben sie sich die Telefonnummer besorgt und angerufen. Als Chang begriff, dass nicht der Geist, sondern die Einwanderungsbehörde vor der Tür stand, hat er sich ergeben.«
    »Und das kleine Mädchen?«
    »Dem geht's prima. Es ist schon jemand von der Fürsorge dorthin unterwegs. Die Changs können vorerst in ihrer Wohnung in Owls Head bleiben, bis wir uns um diesen Drecksack hier gekümmert haben.« Er deutete auf den Geist. »Danach fahren wir zu ihnen und nehmen ihre Aussage auf.«
    Das Haus, in dem sie standen und das etwa anderthalb Kilometer vom Haus der Changs entfernt lag, war sehr ordentlich und hübsch eingerichtet, voller Blumen und Zierrat. Sachs war überrascht, denn immerhin wohnte hier einer der besten Detectives des New Yorker Morddezernats.
    »Das ist also Ihr Zuhause, Lon?«, fragte sie und nahm eine kleine Porzellanfigur in die Hand.
    »Das meiner besseren Hälfte«, erwiderte er verlegen und meinte damit seine Freundin Rachel, bei der er vor einigen Monaten eingezogen war. »Das meiste von diesem Kram hat sie von ihrer Mutter geerbt.« Er nahm Sachs die Figur ab und stellte sie vorsichtig ins Regal zurück.
    »So kurzfristig ließ sich kein besserer Ort für den Zugriff organisieren. Falls wir uns zu weit von Owls Head entfernt hatten, wäre das Arschloch vielleicht noch misstrauisch geworden.«
    »Das war alles nur vorgetäuscht«, stellte der Geist belustigt fest. Sachs hatte den Eindruck, sein Englisch sei nun deutlich besser als in der Rolle des John Sung. »Sie haben mich in die Falle gelockt.«
    »So könnte man das sagen.«
    Während ihrer Fahrt durch Brooklyn - unterwegs zur tatsächlichen Wohnung der Changs in Owls Head - hatte Lincoln Rhyme sie telefonisch davon in Kenntnis gesetzt, dass er mittlerweile glaube, bei John Sung handele es sich in Wirklichkeit um den Geist. Ein Team aus INS- und NYPD- Beamten sei bereits auf dem Weg, um die Familie in Gewahrsam zu nehmen. Sellitto und

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