Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Gesicht des Drachen

Das Gesicht des Drachen

Titel: Das Gesicht des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
Vom Netzwerk:
Ende möglich wäre, seine chinesische Heimat zu besuchen - würde er im Paradise Hotel absteigen und dort die prächtigste Suite, das Penthouse, mieten; genau jene Zimmerflucht, in die er als junger Mann Hunderte von Koffern geschleppt hatte.
    Nein, die Verwirklichung seines Traums ließ schon zu lange auf sich warten; der Geist würde es nicht schaffen, ihn aus dieser Stadt des Geldes zu vertreiben.
    Er fand einen Laden, in dem chinesische Arznei verkauft wurde, ging hinein und schilderte dem Kräuterkundigen die Beschwerden seiner Frau. Der Doktor hörte ihm aufmerksam zu und diagnostizierte einen Mangel an qi - der Lebenskraft - sowie eine Durchblutungsstörung, die beide durch eine schwere Erkältung verschlimmert wurden. Er stellte einige Heilpflanzen zusammen, und Wu bezahlte widerstrebend die stattliche Rechnung von achtzehn Dollar. Er wir wütend, denn er hatte schon wieder das Gefühl, übervorteilt worden zu sein.
    Weiter die Straße hinunter fand er einen chinesischen Supermarkt. Bevor ihn sein Mut wieder verlassen konnte, ging er hinein, nahm einen Korb und packte einige Lebensmittel ein, die er überhaupt nicht brauchte. In der Drogerieabteilung schnappte er sich einen Karton Damenbinden für seine Tochter. Hastig steuerte er die Kasse an und hielt den Blick die ganze Zeit auf einen Glasbehälter mit Ginsengwurzeln gerichtet. Die grauhaarige Frau tippte die Preise ein und nannte ihm einen Betrag; obwohl sie weder lächelte noch ihn auf seine Einkäufe ansprach, wusste Wu genau, dass sie ihn innerlich auslachte. Mit gesenktem Kopf verließ er das Geschäft, so rot wie die chinesische Staatsflagge.
    Er schlug den Rückweg zur Wohnung ein, aber nach fünf Minuten schnellen Marsches verlangsamte er seinen Schritt und fing an, die Seitenstraßen abzusuchen. Natürlich machte er sich Sorgen wegen seiner Frau und der Kinder, die allein in diesem Loch saßen, aber bei allen Göttern im Himmel, der heutige Tag war bislang der reinste Alptraum gewesen. Wu hatte mit Mühe und Not einen Schiffbruch überlebt, all seine Habe verloren und ein Heidengeld an diesen Jimmy Mah und den Makler bezahlen müssen. Und was am schlimmsten war, er hatte die Schande und Demütigung auf sich genommen, diese Dinger zu kaufen, die er nun in einer Tüte bei sich trug. Er brauchte unbedingt etwas Ablenkung und männliche Gesellschaft.
    Es dauerte nur wenige Minuten, dann hatte er gefunden, wonach er suchte: eine fujianesische Spielhölle. Nachdem er dem Türsteher sein Geld gezeigt hatte, wurde er eingelassen.
    Schweigend setzte er sich an einen der Tische, spielte Dreizehn Punkte, rauchte und trank etwas baijiu. Er gewann ein wenig Geld und fühlte sich langsam besser. Er trank eine weitere Tasse des starken, klaren Schnapses, dann noch eine, und endlich entspannte er sich wenngleich er darauf achtete, dass die Einkaufstüte stets sorgfältig versteckt unter seinem Stuhl lag.
    Nach einiger Zeit kam er mit den anderen Männern ins Gespräch und lud sie von den dreißig Dollar Gewinn - die eine beträchtliche Summe für ihn darstellten - zu einem Drink ein. Der Alkohol tat seine Wirkung, Wu erzählte gut gelaunt einen Witz, und einige der Spieler lachten laut. Die Männer waren unter ihresgleichen, und so tauschten sie in verschwörerischem Tonfall Geschichten über ungehorsame Ehefrauen und respektlose Kinder aus, berichteten von ihren hiesigen Wohnverhältnissen und ihren Jobs - oder ihrer Suche nach Arbeit.
    Wu hob die Tasse. »Auf Zai Chen«, verkündete er mit schwerer Zunge. Das war der Gott des Wohlstands, der überall in China verehrt wurde. Wu glaubte, dass zwischen ihm und dieser Volksgottheit eine ganz besondere Verbindung bestand.
    Die Männer stürzten ihre Drinks hinunter.
    »Du bist neu hier«, sagte ein alter Chinese. »Wann bist du gekommen?«
    Wu freute sich, bei seinen Landsleuten plötzlich im Mittelpunkt des Interesses zu stehen. »Erst heute Morgen. Auf dem Schiff, das untergegangen ist«, prahlte er.
    »Auf der Fuzhou Dragon?«, fragte einer der Männer und zog eine Augenbraue hoch. »Das war in den Nachrichten. Es hieß, der Sturm sei schrecklich gewesen.«
    »Oh«, sagte Wu, »die Wellen waren fünfzehn Meter hoch! Der Schlangenkopf hat versucht, uns alle umzubringen, aber ich konnte ein Dutzend Leute aus dem Laderaum befreien. Und dann musste ich sogar tauchen, um ein Rettungsboot vom Deck loszuschneiden. Ich bin fast ertrunken. Aber am Ende habe ich es geschafft, uns an Land zu bringen.«
    »Das hast du

Weitere Kostenlose Bücher