Das Gesicht des Drachen
zurück. »Sie werden hier bei Rhyme gebraucht. Wir müssen uns die Beweise vornehmen.«
Meine Güte, dachte sie. Was ist denn mit dem los?
»Ich komme sofort.«
»Das will ich auch hoffen«, schimpfte der Detective.
Verdutzt unterbrach sie die Verbindung.
»Ich muss aufbrechen«, sagte sie zu Sung.
»Hat man Sam Chang und die anderen schon gefunden?«, fragte der Arzt hoffnungsvoll.
»Nein, noch nicht.«
Als sie aufstand, überraschte er sie mit einer Bitte. »Ich würde mich geehrt fühlen, Sie wiederzusehen. Ich könnte die Behandlung fortsetzen.« Er reichte ihr die Kräuter und die Tabletten.
Sie zögerte nur kurz. »Ja, sehr gern sogar.«
...Zwanzig
»Ich hoffe, wir haben Sie nicht bei etwas Wichtigem gestört, Officer«, sagte Lon Sellitto schroff, als sie Rhymes Wohnzimmer betrat.
Sie wollte den Detective fragen, welche Laus ihm über die Leber gelaufen sei, aber Rhyme fing an, geräuschvoll herumzuschnüffeln. Sachs sah ihn irritiert an.
»Erinnerst du dich noch an mein Buch, Sachs? >Ein Beamter der Spurensicherung sollte kein Parfüm benutzen, weil.<«
»>. ansonsten die Gefahr besteht, dass er dadurch an einem Tatort andere, möglicherweise aufschlussreiche Gerüche überdeckt oder nicht wahrnimmt.<«
»Gut.«
»Aber das ist kein Parfüm, Rhyme.«
»Vielleicht Weihrauch?«, schlug er vor.
»Ich habe mich mit John Sung in dem Restaurant unter seiner Wohnung getroffen. Da wurde etwas Weihrauch verbrannt.«
»Das Zeug stinkt«, entschied Rhyme.
»Nein, nein«, widersprach Sonny Li. »Es ist beruhigend. Sehr beruhigend.«
Blödsinn, es stinkt, dachte Rhyme verärgert. Er warf einen Blick auf die Tüte in Amelias Hand und rümpfte die Nase. »Und was ist das?«
»Medizin. Gegen meine Arthritis.«
»Die stinkt ja noch schlimmer als der Weihrauch. Was hast du damit vor?«
»Einen Tee daraus zu kochen.«
»Der wird vermutlich so ekelhaft schmecken, dass du die Schmerzen in deinen Gelenken vergisst. Viel Spaß damit. Ich bleibe lieber bei Scotch.« Er sah sie durchdringend an. »Hast du deinen Besuch bei Dr. Sung genossen, Sachs?«
»Ich.«, setzte sie nervös an. Sein scharfer Tonfall gefiel ihr nicht.
»Wie geht's ihm?«, fragte Rhyme spöttisch.
»Besser«, antwortete sie.
»Habt ihr viel über sein Zuhause in China gesprochen? Wohin er reist? Mit wem er seine Zeit verbringt?«
»Worauf willst du hinaus?«, fragte sie vorsichtig.
»Ich bin bloß neugierig, ob du auf denselben Gedanken gekommen bist wie ich.«
»Und der wäre?«
»Dass Sung der bangshou des Geists ist. Sein Assistent. Sein Mitverschwörer.«
»Was?«, rief sie erschrocken.
»Offenbar nicht«, stellte Rhyme lakonisch fest.
»Aber das kann nicht sein. Ich habe eine ganze Weile mit ihm geredet. Es kann unmöglich eine Verbindung zwischen ihm und dem Geist bestehen. Ich meine.«
»Nun, um es kurz zu machen, die gibt es tatsächlich nicht«, fiel Rhyme ihr ins Wort. »Wir haben soeben einen Bericht des FBI-Büros in Singapur erhalten. Der bangshou des Geists auf der Dragon hieß Victor Au. Seine Fingerabdrücke und sein Foto passen zu einem der drei Toten, die heute Morgen von der Küstenwache aus dem Wasser gezogen wurden.« Er nickte in Richtung des Computers.
Sachs betrachtete das Bild auf Rhymes Monitor und verglich es mit den Aufnahmen, die an der Wandtafel hingen. Au war derjenige, der durch Ertrinken gestorben war, nicht durch eine Kugel.
»Sung ist sauber«, sagte Rhyme ernst. »Aber das wissen wir erst seit zehn Minuten. Ich habe dich gewarnt, du sollst aufpassen, Sachs. Und du fährst einfach bei Sung vorbei, um ein bisschen zu plaudern. Gewöhn dir diesen Leichtsinn ab.« Den nächsten Satz rief er laut in die Runde. »Und das gilt für alle hier!«
Lass dir keine Einzelheit entgehen, aber pass auf dich auf ...
»Es tut mir Leid«, murmelte sie.
Was beschäftigt sie?, überlegte er ein weiteres Mal, doch er sagte nur: »Zurück an die Arbeit, Jungs und Mädels.« Dann widmete er sich wieder den elektrostatischen Schuhabdrücken vom Schauplatz des Tang-Mords, die Thom an der Tafel aufgehängt hatte. Sie verrieten ihm nicht viel, außer dass die Schuhe des Geists, die ungefähr der amerikanischen Größe 8 entsprachen und damit eher durchschnittlich ausfielen, größer als die Schuhe seiner drei Komplizen waren.
»So, was ist mit den Partikeln, die wir unter dem Stuhl gefunden haben, Mel?«
»Okay, Lincoln«, sagte der Techniker langsam und mit Blick auf die Anzeige des Chromatographen.
Weitere Kostenlose Bücher