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Das Gesicht des Drachen

Das Gesicht des Drachen

Titel: Das Gesicht des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Schutz vor den Weißen und zum Zweck der Selbstverwaltung gegründet; die Chinesen regelten ihre Streitigkeiten üblicherweise allein, und der Führer eines Tongs hatte mehr Gewalt über die Mitglieder als der Präsident der Vereinigten Staaten.
    In letzter Zeit hatten viele Tongs mit ihrer langen Tradition gebrochen und sich vordergründig von Straftaten und Gewaltausübung abgewandt. Das Wort »Tong« wurde immer weniger gebraucht; heutzutage nannte man sich »Nachbarschaftsvereinigung«, »Hilfsverein« oder »Kaufmannsgilde«. Natürlich hatte man auch weiterhin mit Glücksspiel, Prostitution, Erpressung und Geldwäsche zu tun, aber man distanzierte sich von jeglicher Gewalt. Stattdessen heuerte man für die Drecksarbeit junge Männer an, die in keiner Verbindung zu den Tongs standen.
    »Outsourcing«, scherzte Deng.
    »Haben Sie mal einem Tong angehört, Eddie?«, fragte Rhyme.
    »Eine Weile«, sagte der Detective verlegen und putzte seine schicke Brille. »Das war eine Jugendsünde.«
    »Kennen Sie dort jemanden, mit dem wir reden könnten?«, fragte Sachs.
    Deng überlegte kurz. »Ich würde es mit Tony Cai versuchen. Er hilft uns manchmal - bis zu einem gewissen Grad -, und er hat bessere Kontakte als die meisten anderen loabans der Gegend. Jede Menge guanxi. Er leitet die Eastern Chinese Public Association. Die sind an der Bowery.«
    »Rufen Sie ihn an«, befahl Rhyme.
    Coe schüttelte den Kopf. »Am Telefon wird er nichts sagen.«
    »Wird die Leitung abgehört?«
    »Nein, das hat kulturelle Gründe«, erläuterte Deng. »Manche Dinge bespricht man eben nur von Angesicht zu Angesicht. Und dann gibt es noch einen Haken - da der Geist mit der Sache zu tun hat, wird Cai sich keinesfalls in Gesellschaft eines Polizisten blicken lassen.«
    Rhyme hatte eine Idee. »Besorgen Sie sich eine Limousine, und holen Sie ihn her.«
    »Was?«, fragte Sellitto.
    »Diese Tong-Führer sind bestimmt ziemlich eitel, nicht wahr?«
    »Darauf können Sie wetten«, sagte Coe.
    »Erzählen Sie ihm, man brauchte seine Hilfe, und der Bürgermeister würde ihn von einer Limousine abholen lassen.«
    Während Sellitto sich um den Wagen kümmerte, rief Eddie Deng in Cais Nachbarschaftsvereinigung an. Das Gespräch wurde in rasend schnellem Chinesisch geführt, was für westliche Ohren wie ein abgehackter und eintöniger Singsang klang. Eddie legte die Hand auf die Sprechmuschel. »Das habe ich doch richtig verstanden - ich soll sagen, der Bürgermeister würde all dies veranlassen.«
    »Nein«, beschloss Rhyme. »Erzählen Sie ihm, Her sei das Büro des Gouverneurs.«
    »Damit sollten wir ein bisschen vorsichtig sein«, gab Sellitto leise zu bedenken.
    »Für Vorsicht ist noch genug Zeit, wenn wir den Geist verhaftet haben.«
    Deng nickte und setzte das Telefonat fort. Dann legte er auf. »Okay, er ist einverstanden.«
    Sonny Li klopfte geistesabwesend seine Hosentaschen ab, weil er wohl schon wieder nach Zigaretten suchte. Er wirkte verunsichert.
    »He, Loaban , ich habe eine Bitte. Könnten Sie mir vielleicht einen Gefallen tun?«
    »Welchen?«
    »Darf ich mal telefonieren? Nach China. Das kostet vermutlich mehr, als ich im Moment habe. Aber ich zahle es später zurück.« »Schon gut«, sagte Rhyme.
    »Wen wollen Sie anrufen?«, fragte Coe ohne Umschweife.
    »Das Gespräch ist privat. Es geht nur mich etwas an.«
    »Nein. Hier bei uns haben Sie kein Privatleben, Li. Entweder Sie verraten es uns, oder Sie dürfen nicht telefonieren.«
    Li bedachte den INS-Mann mit einem eisigen Blick. »Ich will meinen Vater anrufen.«
    »Ich spreche Chinesisch«, murmelte Coe. »Putonghua und Minnanhua. Ich verstehe es hao. Ich werde zuhören.«
    Rhyme nickte Thom zu, der daraufhin die Auslandsvermittlung anwählte und ein Gespräch nach Liu Guoyuan in Fujian anmeldete. Er reichte den Hörer an Li weiter, der ihn zögernd entgegennahm und einen Moment lang anstarrte. Dann hob er ihn langsam ans Ohr und drehte sich von Rhyme und den anderen weg.
    Auf einmal sah Rhyme einen ganz anderen Sonny Li vor sich. Eines der ersten Worte, das er hörte, war »Kangmei« - Sonnys eigentlicher Name. Der Mann war unterwürfig, nervös und nickte beim Sprechen vornübergebeugt wie ein junger Student. Schließlich legte er auf und sah eine Weile zu Boden.
    »Stimmt etwas nicht?«, fragte Sachs.
    Der chinesische Polizist merkte, dass jemand ihn angesprochen hatte. Er schüttelte den Kopf und wandte sich wieder Rhyme zu. »Okay, Loaban, was machen wir jetzt?«
    »Wir

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