Das Gesicht des Fremden
interessiere.
»Hab gehört, Sie suchen wen, der Ihnen ’n bißchen was pfeift?«
»Richtig«, bestätigte Monk. Er durfte nicht überstürzt vorgehen, denn das würde den Preis in die Höhe treiben, und zum Feilschen hatte er keine Zeit. Wenn er es nicht richtig anstellte, hielt man ihn für naiv. Die ganze Atmosphäre verriet ihm, daß Schachern unbedingt zum Spiel gehörte.
»Is was drin bei der Sache?«
»Schon möglich.«
»Hm.« Der Mann ließ sich das durch den Kopf gehen. »Sie sind immer fair gewesen, deshalb komm ich auch zu Ihnen, anstatt zu den anderen Bullen. So was von knickerig, ’n paar von denen, da würden Se sich richtig schämen!« Er schüttelte den Kopf und zog lautstark die Nase hoch, während er das Gesicht zu einer angewiderten Grimasse verzog.
Monk lächelte.
»Was brauchen Se denn?«
»So einiges.« Monk dämpfte die Stimme noch mehr. Sein Blick war starr auf den Tisch gerichtet. »Ein paar gestohlene Gegenstände, einen Hehler und einen erstklassigen Fälscher.«
Auch der Mann hielt den Blick gesenkt und studierte scheinbar gefesselt die ringförmigen Abdrücke der Bierkrüge auf der Tischplatte.
»Mann, Hehler gibt’s haufenweise, aber nur ’n paar gute Fälscher. Irgendwas Besonderes, das geklaute Zeugs?«
»Eigentlich nicht.«
»Warum wolln Se den Kram dann zurück? Is jemand was passiert?«
»Genau.«
»Na schön, dann packen Se mal aus.«
Monk begann die Sachen so gut es ging zu beschreiben; er konnte sich dabei lediglich auf seine Erinnerung stützen.
»Tafelsilber –«
Der Mann warf ihm einen vernichtenden Blick zu.
Monk schrieb das Tafelsilber ab und fuhr fort: »Eine Jadefigur, etwa fünfzehn Zentimeter hoch – eine Tänzerin, die die Arme vor die Brust hält, die Ellbogen nach außen gedreht. Rosa Jade.«
»Na, wer sagt’s denn! Schon besser.« Der Mann hob ein wenig die Stimme. Monk vermied es, ihn anzusehen. »Rosa Jade kriegt man hier nich oft zu sehen. Sonst noch was?«
»Eine silberne Zuckerdose, so um die zehn bis zwölf Zentimeter hoch, und zwei Schnupftabaksdosen mit Einlegearbeit.«
»Was für Schnupftabaksdosen, Mann – Silber, Gold, Emaille? Da müssen Se mir schon mehr verraten!«
»Ich weiß es nicht.«
»Was? Und der Knabe, dem se’s geklaut haben, auch nicht?« Sein Gesicht verdüsterte sich mißtrauisch, dann sah er Monk zum erstenmal an. »Mensch! Isser abgekratzt oder was?«
»Genau«, sagte Monk gelassen, während er die Wand anstarrte. »Aber es besteht kein Verdacht, daß der Dieb dafür verantwortlich ist. Er war schon lange vor dem Einbruch tot.«
»Sicher? Woher wolln Se denn das wissen?«
»Er starb vor zwei Monaten.« Monk lächelte säuerlich.
»Sogar ich kann mich da nicht irren. Man hat seine unbewohnte Wohnung geplündert.«
Der Mann hatte eine Weile daran zu kauen, ehe er seine Meinung äußern konnte.
Irgendwo in der Nähe des Schanktresens ertönte brüllendes Gelächter.
»’n toten Kerl haben se beklaut?« meinte er mit Todesverachtung. »Is ’n bißchen unsicher, ob da überhaupt noch was zu holen is, finden Se nich? Aber haben Se nich was von ’nem Fälscher gesagt? Was wolln Se denn mit dem?«
»Die Einbrecher benutzten gefälschte Polizeiausweise, um ins Haus zu kommen«, erklärte Monk.
Bei dieser Vorstellung hellte sich das Gesicht des Mannes auf; er begann vergnügt zu kichern.
»Ganz schön gerissen. Gefällt mir!« Er wischte sich mit dem Handrücken über den Mund und mußte wieder lachen. »Is ja fast ’ne Schande, ’n Kerl mit soviel Köpfchen in ’n Knast zu bringen.«
Monk fischte einen halben Goldsovereign aus der Tasche und legte ihn demonstrativ auf den Tisch. Der Mann starrte darauf, als hätte die Münze magische Kräfte.
»Ich will den Kerl, der die Papiere gefälscht hat«, wiederholte Monk, streckte eine Hand nach dem Geldstück aus und versenkte es wieder in der Innentasche seines Mantels. Der Mann verfolgte jede seiner Bewegungen. »Und keine krummen Touren! Ich merke es, wenn Sie Ihre Finger in meine Tasche stecken. Das sollten Sie nicht vergessen, es sei denn, Sie sind scharf darauf, Hanf zu zupfen. Würde Ihren zarten Fingerchen allerdings gar nicht gut bekommen!« Wie aus heiterem Himmel stürmte plötzlich die quälende Erinnerung an blutige Männerhände auf ihn ein, die tagein, tagaus Seilenden auftrennten, während das Leben ihrer Besitzer Jahr für Jahr sinnlos verstrich.
Der Mann zuckte zusammen. »Das war jetzt aber nich nett, Mr. Monk. Bei Ihnen hab ich mein
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