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Das Gesicht des Fremden

Das Gesicht des Fremden

Titel: Das Gesicht des Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Mann nickte und verzog die Lippen zu einem dümmlichen, verständnisvollen Grinsen. »Alle geschäftlichen Angelegenheiten werden letztlich an Mr. Wigtight weitergeleitet, Mr. – äh?« Er hob fragend die Brauen.
    »Ich bin nicht hier, um Geld zu leihen«, klärte Monk ihn um einiges schärfer auf. »Sagen Sie Mr. Wigtight, es geht um etwas, das er verlegt hat und sicher sehr gern zurückhaben möchte.«
    »Verlegt?« Der Mann zog sein bleiches Gesicht in Falten.
    »Was soll das heißen, Sir? Mr. Wigtight verlegt nichts.« Er rümpfte gekränkt die Nase.
    Monk beugte sich vor und legte beide Hände auf die Theke, so daß der Sekretär nicht umhin kam, ihn direkt anzusehen.
    »Bringen Sie mich jetzt zu Mr. Wigtight?« fragte er überdeutlich. »Oder muß ich mir die Information woanders beschaffen?« Wenn er dem Kerl verriet, wer er war, wäre Wigtight vorgewarnt, und er hatte den leichten Vorteil eines Überraschungsangriffs bitter nötig.
    »Äh –« Der Sekretär änderte in Windeseile seine Meinung.
    »Ja, Sir, äh – sofort. Bitte folgen Sie mir, Sir.« Er klappte das Hauptbuch geräuschvoll zu und ließ es in einer Schublade verschwinden. Dann zog er, ohne Monk aus den Augen zu lassen, einen Schlüssel aus der Westentasche und schloß sie ab.
    »Bitte, Sir. Hier entlang.«
    Zwischen Josiah Wigtights persönlichem Refugium und dem vorderen Raum, dem man auf erfolglose Weise den Anschein von Anonymität und Ehrbarkeit zu verleihen versucht hatte, bestand ein himmelweiter Unterschied. Alles hier war luxuriös, diente ausschließlich dem Komfort. Die breiten Lehnsessel waren mit Samt bezogen, die Polster dick und weich. Der Teppich verschluckte jedes Geräusch. Die Wandleuchten, die ein sanftes Zischen von sich gaben, hatten rosarote Schirme, so daß über dem Raum ein leichtes Glühen lag, in dem Konturen verwischt und wütende Blicke gemildert wurden. Die schweren, in Falten gelegten Vorhänge hielten das störende, schonungslose Tageslicht fern. Das Ganze wirkte weder geschmackvoll noch vulgär, es diente allein den Sinnesfreuden; nach wenigen Augenblicken war der Effekt einschläfernd. Monks Respekt für Wigtight wuchs; raffiniert, wie er das gemacht hatte.
    »Aaah.« Wigtight atmete genüßlich aus. Er hockte wie eine fette Kröte hinter seinem Schreibtisch, die wulstigen Lippen zu einem Lächeln verzogen, das längst abgestorben war, ehe es seine Glubschaugen erreichen konnte. »Aaah«, machte er noch einmal. »Es geht wohl um eine in gewisser Hinsicht heikle Angelegenheit, Mr. –?«
    »In gewisser Hinsicht, ja«, pflichtete Monk ihm bei und beschloß, sich nicht auf dem weichen, dunklen Sessel niederzulassen. Er befürchtete, darin zu versinken wie in einem Sumpf und zu keinem klaren Gedanken mehr fähig zu sein. Er spürte, daß er sich in diesem verlockenden Ungetüm in der schlechteren Position befinden würde, und er durfte sich auf keinen Fall einlullen lassen.
    »Setzen Sie sich, setzen Sie sich!« Wigtight machte eine drängende Handbewegung. »Lassen Sie uns darüber reden. Ich bin sicher, wir werden zu einer Einigung kommen.«
    »Das hoffe ich.« Monk ließ sich auf die Armlehne sinken. Das war zwar unbequem, doch in diesem Zimmer zog er die Unbequemlichkeit vor.
    »Sie sind vorübergehend zahlungsunfähig?« begann Wigtight.
    »Sie möchten die Gelegenheit nutzen und eine vielversprechende Investition tätigen? Sie haben demnächst eine größere Summe von einem leidenden Verwandten zu erwarten, der Ihnen wohlgesonnen ist?«
    »Danke vielmals, ich verfüge über ein Einkommen, das für die Deckung meiner Bedürfnisse vollkommen reicht.«
    »Dann sind Sie ein glücklicher Mann.« Wigtights glatte, ausdruckslose Stimme klang nicht überzeugt. Er hatte schon jede Lüge und Ausflucht gehört, die der menschliche Verstand hervorbringen konnte.
    »Glücklicher als Joscelin Grey!« versetzte Monk.
    Wigtights Gesicht veränderte sich so gut wie nicht – ein leichter Schatten glitt darüber hinweg, das war alles. Wenn Monk ihn nicht daraufhin beobachtet hätte, wäre es ihm nicht aufgefallen.
    »Joscelin Grey?« wiederholte er. Monk sah ihm die Unentschlossenheit an, ob er nun leugnen sollte, Grey zu kennen, oder ob es nicht ratsamer wäre, es angesichts dessen allgemeiner Popularität zuzugeben. Er entschied sich für den falschen Weg.
    »Mir ist keine Person dieses Namens bekannt, Sir.«
    »Sie haben noch nie von ihm gehört?« Monk gab sich Mühe, ihn nicht zu sehr unter Druck zu setzen. Er haßte

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