Das Gesicht des Fremden
zu begutachten. Er war untersetzt, hatte mächtige Schultern und riesige, spachtelförmige Hände. In seine ursprünglich blasse Haut hatte sich der Schmutz vieler Jahre gegraben, das farblose Haar sproß wie zerbrechliche Stacheln aus seinem Kopf.
»Was gibt’s?« erkundigte er sich gereizt. Monk fiel auf, daß seine Zähne zu schwarzen Stummeln degradiert waren. Er bildete sich ein, ihre fauligen Ausdünstungen selbst auf die Entfernung riechen zu können.
»Sie haben zwei Männern Polizeiausweise ausgestellt, laut denen sie auf dem Revier in der Lye Street arbeiten.« Das war eine Feststellung, keine Frage. »Ich will deshalb nicht Ihnen an den Kragen, ich will diese Männer. Es geht um Mord, also würden Sie gut dran tun, sich auf die richtige Seite zu schlagen.« Sein Gegenüber verzog die schmalen Lippen zu einem anzüglichen Grinsen, als mache er sich über etwas lustig. »Sie sind Monk?«
»Und wenn ich es bin?« Es wunderte ihn, daß der Mann von ihm gehört hatte. Hatte sein Ruf solche Kreise gezogen?
»Sie sind der, dem se mitten in ’nen Fall reingeplatzt sind, stimmt’s?« Seine Erheiterung eskalierte in einem geräuschlosen Glucksen, das seine Fleischmassen bedenklich durchschüttelte.
»Ich bin der, der den Fall jetzt und hier untersucht«, gab Monk zurück. Er hatte nicht die Absicht zu erwähnen, daß der Mord und der Einbruch zwei verschiedene Paar Schuhe waren; der Einschüchterungseffekt, der vom drohenden Tod durch den Strang ausging, war zu nützlich.
»Also, was wolln Se von mir?« fragte der Mann. Seine Stimme war heiser, als hätte er zuviel gelacht oder zu laut geschrien, obwohl man sich beides nur schwer bei ihm vorstellen konnte.
»Wer sind die beiden?«
»Kommen Sie, Mr. Monk – woher soll ich das wissen?« Die massigen Schultern bebten immer noch. »Frag ich die Leute vielleicht, wie se heißen?«
»Wohl kaum, aber Sie wissen, wer sie sind. Spielen Sie nicht den Dummen – steht Ihnen nicht.«
»Klar kenn ich ’n paar Leute«, räumte er beinah im Flüsterton ein, »aber doch nich jeden armen Hund, der sein Glück beim Klauen versucht.«
»Armen Hund?« Monk sah ihn spöttisch an. »Machen Sie Ihre Arbeit neuerdings umsonst? Sie sind kein Wohltäter für verkrachte Existenzen! Jemand hat Sie bezahlt, wenn nicht die beiden selbst, dann jemand anders. Sagen Sie mir, wer es war – das reicht.«
Die zusammengekniffenen Augen öffneten sich etwas. »Oh, raffiniert, Mr. Monk. Sehr, sehr raffiniert.« Die kräftigen, breiten Hände klatschten lautlos Beifall.
»Also wer?«
»Meine Arbeit is vertraulich, Mr. Monk. Wenn ich anfang, die Kundschaft ans Messer zu liefern, kann ich gleich einpacken. Ein Geldverleiher war’s, mehr sag ich nich.«
»In Australien besteht kein großer Bedarf an Urkundenfälschern.« Monk musterte die geschickten, sensiblen Finger. »Harte Arbeit – ungesundes Klima.«
»Wolln mich wohl aufs Boot schicken, ha?« Der Mann schürzte die Lippen. »Erst müssen Se mich mal kriegen, und Sie wissen genausogut wie ich, daß Se mich nie finden werden.« Das Grinsen auf seinem Gesicht hatte sich nicht die Spur verändert. »Außerdem werden Se ganz schön in Schwierigkeiten kommen; grausige Dinge passieren mit ’nem Peeler in ’n Rookeries, wenn erst mal was durchsickert.«
»Und grausige Dinge passieren mit einem Fälscher, der seine Kunden verpfeift – wenn erst mal was durchsickert«, konterte Monk prompt. »Grausige Dinge – gebrochene Finger zum Beispiel. Und was ist ein Fälscher schon wert, ohne seine Finger?«
Der Mann starrte ihn plötzlich mit unverhohlenem Haß an.
»Und warum sollte was durchsickern, Mr. Monk, wenn ich Ihnen gar nix erzählt hab?«
Evan, der an der Tür stand, machte eine unruhige Handbewegung; er fühlte sich nicht wohl in seiner Haut. Monk ignorierte ihn.
»Weil ich verbreiten werde, Sie hätten.«
»Dann haben Se aber immer noch keinen für Ihren Einbruch.« Das heisere Flüstern klang wieder gelassen und enthielt sogar eine Spur Belustigung.
»Ich finde schon jemand.«
»Das dauert aber, Mr. Monk, das dauert. Und können Se mir mal verraten, wie Se das ohne meine Hilfe anstellen wolln?«
»Sie ziehen voreilige Schlüsse, Fälscher!« Monk ließ sich nicht erweichen. »Es müssen ja nicht die richtigen sein; mir war jeder recht. Und bis endlich durchsickert, daß ich die Falschen habe, kommt für Ihre Finger jede Rettung zu spät. Sich die Finger zu brechen, tut verdammt weh, und man hat noch Jahre danach
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