Das Gesicht des Fremden
äh… gefunden, also –«
»Darf ich hereinkommen, Mr. Yeats?« fiel Monk ihm ins Wort. Es war zu erwarten gewesen, daß Grimwade den Einbrecher erwähnt hatte, sei es auch nur, um die übrigen Mieter zu warnen – außerdem konnte man kaum davon ausgehen, daß ein geschwätziger, einsamer alter Mann ein derart aufregendes und spektakuläres Geheimnis für sich behalten würde. Trotzdem ärgerte es Monk, an diesen Fehlschlag erinnert zu werden.
»Es – es tut mir leid«, stammelte Yeats, als Monk an ihm vorbeiging. »Ich – ich weiß, daß ich es Ihnen schon früher hätte sagen sollen.«
»Was sagen, Mr. Yeats?« Monk sah seine Geduld auf eine harte Probe gestellt. Der kleine Mann stand offenbar am Rand eines Nervenzusammenbruchs.
»Na, das mit meinem Besucher, natürlich. Als ich Sie in der Tür stehen sah, dachte ich eigentlich, Sie wüßten Bescheid.« Yeats’ Stimme steigerte sich zu einem fassungslosen Quieken.
»Was ist mit ihm? Ist Ihnen noch etwas eingefallen?« Er spürte Hoffnung in sich aufsteigen. Kam er nun vielleicht doch noch zu seinem Beweis?
»Na ja, Sir, ich habe herausbekommen, wer er ist.«
»Was sagen Sie da?« Monk traute seinen Ohren nicht. Das Zimmer um ihn herum begann zu singen und vor Aufregung auf und ab zu hüpfen. Gleich würde ihm dieses sonderbare kleine Männchen den Namen von Joscelin Greys Mörder nennen. Unglaublich – nicht zu fassen!«
»Ich habe herausbekommen, wer er ist«, wiederholte Yeats.
»Ich weiß, ich hätte es Ihnen längst sagen sollen, aber ich dachte –«
Der Bann war gebrochen.
»Wer?« fragte Monk scharf; er wußte, daß seine Stimme bebte. »Wie heißt er?«
Erschrocken begann Yeats etwas Unverständliches zu stammeln.
»Wer war dieser Mann?« Obwohl Monk sich mit aller Kraft zusammenriß, steigerte sich sein Tonfall fast zu einem Brüllen.
»Ja, also – nun ja, Sir, ein Mann namens Bartholomew Stubbs. Soviel er sagte, handelt er mit alten Landkarten und dergleichen. Ist das denn wichtig? Mr. Monk?«
Monk war völlig vor den Kopf gestoßen.
»Bartholomew Stubbs?« wiederholte er dümmlich.
»Ja, Sir. Ich bin ihm zufällig noch einmal begegnet und dachte mir, es wäre eine gute Gelegenheit, ihn nach seinem Namen zu fragen.« Er wedelte mit den Händen. »Ich war schrecklich nervös, das können Sie mir glauben – aber angesichts des schlimmen Schicksals des armen Major Grey fühlte ich mich verpflichtet, ihn anzusprechen. Er war sehr entgegenkommend und meinte, er hätte das Haus nach dem kurzen Besuch bei mir auf direktem Wege verlassen. Er mußte eine Viertelstunde später auf einem Abstinenzlertreffen in der Farringdon Road erscheinen, gleich in der Nähe der Jugendstrafanstalt. Ich weiß, daß das stimmt, weil ein Freund von mir ebenfalls dort war.« Er trat aufgeregt von einem Fuß auf den andern. »Mein Freund erinnert sich ganz deutlich an Mr. Stubbs’ Ankunft, da der erste Redner schon mit seinem Vortrag begonnen hatte.«
Monk starrte ihn verständnislos an. Wenn Stubbs das Haus sofort wieder verlassen hatte, und das hatte er allem Anschein nach, wer war dann der Mann, den Grimwade später hatte gehen sehen?
»Blieb er den ganzen Abend auf dem Abstinenzlertreffen?« fragte er verzweifelt.
»Nein, Sir.« Yeats schüttelte den Kopf. »Er war dort nur mit meinem Freund verabredet – er ist ebenfalls Sammler, ein ziemlich versierter –«
»Er ging also wieder?« Monk stürzte sich darauf wie ein Tiger auf die Beute.
»Ja, Sir.« Yeats tänzelte mit zuckenden Händen um ihn herum. »Das versuche ich Ihnen ja die ganze Zeit klarzumachen! Sie gingen zusammen weg und nahmen ein leichtes Abendessen ein –«
»Zusammen?«
»Jawohl, Sir. Ich fürchte, Mr. Stubbs kann unmöglich der Kerl gewesen sein, der den bedauernswerten Major Grey so heimtückisch überfallen hat.«
»Nein.« Enttäuscht stand Monk wie angewurzelt da. Er hatte nicht die leiseste Ahnung, was er jetzt tun sollte.
»Geht es Ihnen gut, Mr. Monk?« erkundigte sich Yeats zaghaft. »Es tut mir so leid. Wahrscheinlich hätte ich es Ihnen schon früher sagen sollen, aber ich hielt es nicht für wichtig, weil er unschuldig ist.«
»Schon gut, machen Sie sich deshalb keine Sorgen«, hauchte Monk. »Ich verstehe das.«
»Oh, da bin ich aber froh! Ich dachte schon, ich hätte einen Fehler gemacht.«
Monk murmelte ein paar freundliche Worte, weil er dem kleinen Kerl nicht noch ärger zusetzen wollte, und trat wieder ins Treppenhaus. Er registrierte weder, wie er die
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