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Das Gesicht des Teufels

Das Gesicht des Teufels

Titel: Das Gesicht des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kay Cordes
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Feuerprobe bestanden   … Gibt es einen besseren Beweis für die Willkür und Grausamkeit des dummen Pöbels? Nicht mal ein Pfarrer war dabei. Aber es hat ihr wenigstens nicht geschadet. Ihren Hexenruf ist sie fürs Erste los. Freilich, je nachdem wie sie sich erholt, vielleicht bringt sie das erst recht in Verruf?»
    Es fehlte nicht viel, und Bernward hätte sich auf den Stadtrichter gestürzt. Jetzt ist es genug, zürnte er. Jetzt hat er den Bogen überspannt!
    Grußlos schwang er sich aufs Pferd und jagte den Weg zum Kobolzeller Tor hoch.
    An allem ist dieser Gessler-Müller schuld! Er begann damit, Hanna als Hexe zu verunglimpfen. Er hat das Volk aufgehetzt. Und was auch seitdem geschieht: Für jedes Unglück gibt man ihr die Schuld. Dieser Drecksmüller! Er soll mich kennenlernen!
    Er donnerte durch die Stadt, dass die Funken übers Pflaster flogen. Fassaden und Giebel schienen sich vornüberzuneigen, und die Gefache, glaubte er, grinsten ihn hämisch an.
    Am Anfang der oberen Schmiedgasse, kurz vor dem Marktplatz, hatte er den Müller gestellt.
    «Du Hundsfott!», schrie er ihm in den Rücken, preschte an ihm vorbei und schnitt ihm den Weg ab. Er sprang vom Pferd und stürzte auf ihn zu. Die Menschen schauten auf,einige liefen zusammen. «Kommt runter, Müller, damit ich allen hier erzähle, was für ein Teufel Ihr seid!»
    Jobst Gessler schreckte auf, doch er fasste sich schnell und stieg vom Pferd. «Sucht Ihr einen Schuldigen für Euer Veilchen, oder was?»
    «Nur für das, was Ihr mit Eurem Geschwätz angerichtet habt, Müller!» Bernwards Gesicht wurde hart. Er bebte vor Zorn, ballte die Fäuste. «Ich sag’s Euch auf den Kopf zu: Ihr seid ein genauso arger Hetzer wie der blinde Mönch. Hanna Völz aber, die sich gegen Eure geilen Nachstellungen wehrte, musste es büßen.»
    «Ach, daher weht der Wind. Aber damit, Hegemeister, hab ich nichts zu tun. Bauern und Häcker tun längst, was sie wollen.» Geringschätzig lächelnd stellte er sich vor Bernward, maß ihn mit Blicken und wandte sich dann abrupt an die Menge. «In Heilbronn und um Öhringen ist Krieg, und auch rund um das Taubertal gibt es jetzt kein Halten mehr. Zu Tausenden wird aufgestanden, um gegen die Willkür von Pfaffen, Obrigkeit und Adel anzurennen. Aber ist das gerecht? Ich sage ja! Sage auch ja zu unseren Artikeln!» Jobst Gessler reckte die Faust, tat, als sei Bernward Luft. «Nieder mit dem gottlosen kleinen Zehnten, den maßlosen Zinsen. Für freies Holz, freie Jagd und freien Fischfang! Für gleiches Recht! Fort mit den viehischen Geldsteuern und unser aller Unfreiheit! Weg mit der Leibeigenschaft!»
    Jobst Gesslers Begeisterung wirkte so ansteckend, dass ein großes Durcheinander losbrach. Die Worte waren gefallen und pflanzten sich in den Gassen fort. Die einen ließen den Müller hochleben, die anderen glaubten, es sei besser, seine Forderungen nachzubrüllen. Pfeifen schrillten, Pfiffe gellten, Pferde wieherten. Über Bernwards Kopf wurde ein Fenster aufgerissen und die Bundschuh-Fahne geschwenkt, vor der Ratsherrentrinkstube jubelten Männer und Frauen das Lied, das alle Aufständischen vereinte:
Wir sind die armen Haufen und wolln mit Pfaff und Adel raufen   …
Gellende Pfiffe erklangen, als Bernward sein Pferd bestieg.
    Wer etwas zu verlieren hatte, und das waren viele, die am Markt wohnten, schlug seine Fensterläden zu. Bald knallten die ersten Steine gegen die Holzläden, und ob verhärmte Marktbeschicker wie Tontöpfer, Besenbinder, Lumpenverkäufer, ob bessergestellte Handwerker wie Schuster, Bäcker, Schmiede, Wagner, ob Pferdeknechte, Ackerbauern, Weinhäcker, Tauberfischer – wer sich just in Rothenburgs Gassen herumtrieb, weil er Neuigkeiten hören wollte, plötzlich waren überall die Feinde ausgemacht: Patrizier und Deutschherren, Pfaffen, Mönche und Nonnen.
    «Reißen wir sie aus ihren Federbetten!»
    «Sie gehören geteert und gefedert.»
    «Unsinn, was kümmern sie uns! Lasst uns lieber ihre Keller ausräumen!»
    Es war der Schlachtruf, der gefehlt hatte. Fassungslos schob sich Bernward auf dem Rücken seiner Stute über den Markt. Linker Hand wurde gefeilscht und gekauft, schwatzten Frauen und spielten Kinder, rechter Hand aber versuchten Horden wild gewordener Burschen Türen einzutreten und begannen zu schreien, jetzt würden sie holen, was ihnen seit Jahr und Tag abgepresst werde.
    Da öffneten sich die Türen des Rathauses. Reisige eilten mit Musketen heraus und feuerten in die Luft. Sie luden nach und

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